Künstler | Marc Bolan & T. Rex | |
Album | Millenium Collection | |
Label | Digimode | |
Erscheinungsjahr | 1999 | |
Bewertung |
Fragen Sie doch mal jemanden, was Glamrock ist. Sie werden etwas zu hören bekommen von Plateausohlen und Schminke, von Schlaghosen und Nieten. Fragen Sie noch einmal, nicht nach der Mode, sondern nach der Musik, Die Antwort wird wohl ein Schulterzucken bleiben.
Glamrock als musikalisches Genre zu definieren oder auch bloß einzuordnen, ist in der Tat nicht einfach. Die einen sehen in den modischen und sexuellen Ausschweifungen der Zeit eine logische Fortsetzung von Progressive Rock und Hippietum. Die anderen bewerten Glamrock gerade als Gegenreaktion auf diese Entwicklungen. „Der Glamrock, jene grell beleuchtete Brücke zwischen in Trümmern liegenden Hippieträumen und dem rotznasigen No-Future-Gegröle des Punk, schien für kurze Zeit ein Versprechen einzulösen: Jeder kann ein Star sein“, findet der Musikexpress die Symbiose.
Tatsächlich scheint das eigentlich Spezifische gar nicht die Musik gewesen zu sein. „Das Tolle am Glam war, dass es um Starruhm ging und um sonst nichts“, lautet die Erkenntnis von Barney Hoskyns, dem Autor des Buches Glam.
Folgt man dieser Bewertung, muss Marc Bolan als Initiator und Prototyp des Genres gelten. „Er hat das Glamrock-Ding gestartet. Beim Glamrock war nur das Spektakel wichtig“, erinnert sich Produzent Mike Leander. Tony Visconti, damals Bassist bei The Hype, sieht Marc Bolan ebenfalls als Pionier und Visionär: „Marc wusste genau, was er wollte und dass er es schaffen würde. Er hatte Talent, Fantasie, großartige Songs – und er sah verdammt gut aus.“
Letzte Zweifel räumen die Great Rock Discography („He almost single-handedly invented the glam-rock-phenomenon, achieving the rare state of being a rock idol and a pop star at the same time“) und der Rolling Stone („Marc Bolan fing damit an und gab dem Kind auch gleich einen passenden Namen: T. Rex – zentnerweise Masse, wenig Hirn. Bolan war das Bindeglied zwischen Rock und Glam, ein harlekinesker Verwandlungskünstler mit rattenfängerischem Charisma, der sich von einem Hippie zum sterbenden Schwan wandelte“) aus.
Zu Beginn der Karriere des Mannes, der als Marc Field geboren wurde, war von Rock zunächst noch wenig zu ahnen. Als Toby Tyler absolvierte er seine ersten Auftritte, unter den Fittichen von John Peel fand er erstmal ein breiteres Publikum. Was die Hörer der BBC von Marc Bolan and Tyronosaurus Rex zu hören bekamen, war rein akustischer, esoterischer Folk. Die Texte waren offensichtlich an keltischen Mythen und Tolkiens Sagenwelt geschult, wurden von Elfen, Gnomen und anderen Wesen bevölkert und waren noch spinnerter als Donovans Lyrik. Die Band, damals noch ein Duo, fand damit einige Bewunderer, jedoch keine breite Akzeptanz.
Erst, als Bolan mit dem Electric Warrior-Album auf Rock umsattelte, stellte sich der ganz große Erfolg ein. Ganz groß heißt hier: Marc Bolan & T. Rex verkauften innerhalb von 18 Monaten 18 Millionen Platten und hatten im UK acht Top-3-Hits in Folge. Der Sänger wurde von nicht wenigen seiner frühen Fans als Verräter des Undergrounds geächtet, dafür aber zum Teenieschwarm, der sogar von seinem Gedichtband Warlock Of Love satte 30.000 Exemplare verkaufte.
Marc Bolan & T. Rex waren Anfang der 1970er ganz oben – mit einer Musik, die eigentlich nur die alten Chuck-Berry-Schemata variierte, aber voller Kraft war und keine Hemmungen hatte, diese auch zur Schau zu stellen. Telegram Sam, drei Akkorde und ein unwiderstehlicher Boogie, funktioniert so, Metal Guru, ein wenig subtiles Riff und ein unzweideutiger Rhythmus, auch. Genau wie in der Optik wird auch im Sound alles nach außen gekehrt, exaltiert. Der Beat dominiert, Zweifel kommen nirgends auf.
Die Masche zieht nach wie vor: Solid Gold, Easy Action prescht nach vorne, 20th Century Boy hat nichts von seiner Power verloren. Laser Love ist Rock, so wie Rock sein muss, Jeepster fasziniert durch anzügliches Understatement, das Riff von Get It On bleibt unschlagbar. Dandy In The Underworld hat seinen Glanz über die Jahre retten können, Children Of The Revolution steckt noch immer voller Tatendrang und Trotz.
Die großen Zeiten des 1,60 Meter kleinen Mannes waren dann aber schnell wieder vorbei. 1974 erkannte Marc Bolan selbst: „Ich lebe in einer Schattenwelt von Drogen, Schnaps und schrägem Sex.“ Musikalisch förderte dieser Zustand eher bizarre Resultate zu Tage. Marc Bolan orientierte sich danach am US-Soul, fand aber erst 1977 zurück zu alter Form. Das Album Dandy In The Underworld wurde posthum veröffentlicht und zeigt erste Spuren von Punk, als dessen Erfinder sich Bolan gerne bezeichnen ließ. Dieser Verdienst bleibt zwar eher Iggy Pop, noch einem Glam-Veteran, vorbehalten, doch zumindest förderte Marc Bolan den neuen Sound, etwa in seiner eignenen TV-Show, nach Kräften.
Was dann nach seinem Tod bei einem Autounfall mit seinem Werk angestellt wurde, dürfte für einige Rotationen in Marc Bolans Grab gesorgt haben. Die Plünderung seines Back-Katalogs ist unglaublich. Auch diese Millenium Collection ist ein Beispiel dafür. „Digitally remastered“ lässt man sich ja noch gefallen, auch dass Originalbänder neu abgemischt werden. Wenn aber – was auf dieser Doppel-CD gelegentlich auch der Fall ist – uralte Demo-Aufnahmen in obskurer Soundqualität durch später hinzugefügte Billig-Keyboards und Computer-Schlagzeuge aufgepeppt werden sollen, dann hört der Spaß auf.
Marc Bolan hat das nicht verdient. Einige Songs wirken auch im Original medioker, und er mag ein Spinner gewesen sein. Aber er war auch ein begnadeter Sänger. Und vor allem ein großartiger Rockstar.
Get it mal so richtig on: Eine 8-Minuten-Live-Version des Hits aus dem Jahr 1973:
httpv://www.youtube.com/watch?v=sG9lhh66KmM
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