Künstler | Martyn |
Album | Ghost People |
Label | Brainfeeder |
Erscheinungsjahr | 2011 |
Bewertung | *** |
Brainfeeder ist dieser Tage ganz ohne Zweifel eine der angesagtesten Plattenfirmen überhaupt. Aber, reden wir nicht lange drumrum: Ich bin kein ausgemachter Fan von Brainfeeder-Musik. Die drei jüngsten Begegnungen mit Veröffentlichungen des Labels aus Los Angeles waren jedenfalls keine Freude. Teebs: 1,5 Sterne. Matthewdavid: 1,5 Sterne. Thundercat: 2 Sterne.
Ghost People, das morgen erscheinende zweite Album von Martyn, kommt also nicht gerade mit Rückenwind auf meinen Schreibtisch geflattert. Aber, aber: Es ist die Ausnahme von der Regel. Ghost People ist eine sehr unterhaltsame, konkrete, abwechslungsreiche Platte. Und zwar, weil sie kein bisschen ins Brainfeeder-Format passt. Ghost People klingt nicht nach LA, sondern nach der ganzen Welt. Wenn man das Album irgendwo verorten müsste, dann gebe es nur einen möglichen Platz dafür: Clubland.
„My last album, Great Lengths, was very personal. A lot of the music and the themes behind it were taken out of my daily life: my sorrows and my melancholy. For this album, I chose things that are further away from me: the Ghost People-theme. There are references to DJing in general. Not the jet-set DJ life, but the old Paradise Garage DJ life, where people want to share and play the music they really love, regardless of if it’s trendy. Nothing fancy or flashy. Just back to the roots”, erklärt Martyn, der aus den Niederlanden stammt und mittlerweile in Washington lebt, seinen Ansatz.
Der rote Faden sind die Ghost People, mit denen Martyn wohl in erster Linie jene DJs meint, die jedem Trend hinterherlaufen statt einen eigenen Geschmack (oder gar Stil) zu entwickeln. „All living beings move closer to machines“, sagt eine Computerstimme im Opener Love And Machines. Auch sonst bleibt es, natürlich, meist instrumental. Masks ist das einzige Wort im gleichnamigen Track, der mitten aus der House-Blütezeit gefallen scheint. Distortions setzt auf ein Edie-Sedgwick-Sample, dazu gibt es eine Orgel und einen leicht exotischen Beat. Auch Popgun hat dieses Jungle-Element, ergänzt es aber noch um einen satten Bass.
Musikalisches Leitmotiv ist ein ganz simples Ride-Becken, das Martyn immer wieder sehr prominent und effektvoll einsetzt. Auf Viper wird es von Handclaps und einem verfremdeten Bass ergänzt, im Titelsong gesellen sich Steel Drums hinzu, im famosen Horror Vacui gibt es zusätzlich Breakbeats, die dem Track eine an Justice gemahnende Aggressivität verleihen.
Zwei Stücke ragen auf Ghost People heraus: Bauplan ist geheimnisvoll, streng, eisig und kristallin und kommt ganz ohne Schlagzeug aus. Der Rausschmeißer We Are You In The Future hingegen hat die künstliche Intelligenz von Hot Chip. Es mag altmodisch sein, dass Martyn, mit 15 Jahren DJ-Erfahrung im Gepäck, sich diesen Höhepunkt bis zum Schluss aufhebt, aber es funktioniert glänzend: Ganz am Schluss überschreitet Ghost People damit doch noch die Grenze vom Hypnotischen zur Ekstase.
Klingt nicht nach L.A., und sieht im Video zu Viper auch nicht so aus (eher wie Dune meets Lavalampe):
httpv://www.youtube.com/watch?v=e1O9WJrKljE