Künstler | Max Herre | |
Album | Hallo Welt | |
Label | Nesola | |
Erscheinungsjahr | 2012 | |
Bewertung |
„Rap ist mein Talent und meine Identität.“ Es ist eine an Klarheit kaum zu überbietende Aussage, die Max Herre da in Rap ist trifft, dem letzten Track von Hallo Welt. Und es ist ein Satz, der eigentlich ein bisschen zu selbstverständlich sein sollte für jemanden, der einst mit Freundeskreis ganz oben auf der Erfolgswelle des deutschen Sprechgesangs surfte und der HipHop immer als Lebensentwurf verstanden hat – nicht zuletzt tauchte eben jene Zeile schon 1999 im Track Erste Schritte auf dem Esperanto-Album auf.
Trotzdem ist diese Zeile eine Überraschung. Denn auf seinem letzten Soloalbum Ein geschenkter Tag vor drei Jahren hatte er sich eher in Richtung Folk bewegt und nur noch gesungen. Rap schien ihm zum Korsett, zur Belastung geworden zu sein und wurde kurzerhand auf den Index gesetzt. Auch auf Hallo Welt gibt es noch solche Passagen, aber dazu kommen diesmal, neben einer guten Dosis Sprechgesang, auch Soul, Reggae, Jazz, Funk und Rock. Die Zeiten des Dogmas scheinen vorbei. „Ups, ich tauge nicht mehr als Projektionsfläche / nicht gleich alles staatstragend, was ich ins Mikrofon spreche / Das ist einfach nur meine Sicht der Dinge / Und dass ich wieder rappe, heißt nicht, dass ich nicht mehr singe“, stellt Max Herre passend dazu im Kahedi Dub fest.
Dass er wieder das gesamte Spektrum seines Könnens und seiner Vorlieben nutzt, passt zu den Themen von Hallo Welt: Die Suche nach einem tragfähigen Glauben wird gleich mehrfach besungen, die Sehnsucht nach Werten und einer besseren, heilen Welt ist unverkennbar. Es geht um die Kraft der Musik, die er schon mit Freundeskreis gepriesen hat, es geht um Zusammenhalt, Solidarität und Freiheit – politisch, privat und kreativ.
Passend dazu hat sich Max Herre gleich ein knappes Dutzend hochkarätiger Gäste ins Studio geholt. Die Senkrechtstarter Aloe Blacc, Philipp Poisel und Cro gehören dazu, alte Wegbegleiter wie Patrice, Clueso, Joy Denalane und Samy Deluxe oder Hoffnungsträger wie Marteria und Megaloh. Als loser Rahmen dient die Idee, Hallo Welt wie eine Radiosendung zu verstehen, und passend dazu gibt es ein paar Jingles, Ansagen und Frequenzsuchgeräusche, glücklicherweise wird dieses Konzept aber nicht überstrapaziert.
Schon eher störend ist (neben dem erwartbaren Umstand, dass sich musikalisch hier alles im dauerbekifften Bereich zwischen gefällig, beschaulich und ereignislos bewegt) die Tatsache, dass Herres Hippie-Philosophie oft einigermaßen simpel daher kommt. Auch auf seinem dritten Soloalbum und mit fast 40 Jahren liefert er noch immer Weltverbesserer-Lyrik auf Pubertäts-Niveau. Immerhin: Der gebürtige Stuttgarter ist einer der wenigen, die sich in diesen Tagen nicht in Ironie oder Oberfläche flüchten, sondern eindeutig Stellung beziehen und keine Scheu vor klaren Botschaften haben.
Aufruhr (Freedom Time) ist das erste Beispiel dafür, holt den Arabischen Frühling via spanischer Jugendproteste nach Berlin und schafft es, auch noch Fukushima und Trash-TV zu integrieren. Jeder Tag zuviel thematisiert zu einem feurigen Funk im Stile von Jan Delay die Monotonie im Hamsterrad eines ganz normalen Jobs. Solang kann man mit gutem Gewissen einen Blues nennen, der Orientierung sucht oder wenigstens Eskapismus. Einstürzen Neubauen (mit Samy Deluxe) disst zu einem ebenso mächtigen wie plakativen Beat soziale Netzwerke, unterstützt Occupy und bringt auch noch eine Ton-Steine-Scherben-Referenz („Mach kaputt was dich kaputt macht“) unter. Es gebe „zu viele Gutmenschen und zu wenig Wutbürger“, stellt Max Herre darin fest – womöglich nicht einmal ahnend, dass er auf Hallo Welt eindeutig beides ist.
Am besten ist Max Herre, wenn er über die Liebe singt. Neuerdings ist er wieder mit seiner Ex-Frau Joy Denalane zusammen, und so gibt es auf Hallo Welt gleich eine ganze Reihe von Songs, in denen ein reuiger Sünder zurückkehrt zu dem, was ihm wirklich wichtig ist. Das zuckersüße Dududu ist so ein Fall. Noch eindeutiger wird es bei So wundervoll (das You Are So Beautiful von Billy Preston aufgreift) und ganz viel Hoffnung verbreitet und Nicht vorbei (Bis es vorbei ist), eine eingedeutschte Version von It Ain’t Over ’Til It’s Over (Lenny Kravitz), für die Max Herre den Text von Dududu noch einmal recycelt.
Fühlt sich wie fliegen an (mit Cro und Clueso) ist entspannt und leichtfüßig und von einem herrlichen Flow getragen. Das beste Lied des Albums ist Vida, eine Hymne an seine Tochter. Gemeinsam mit Aloe Blacc nutzt Max Herre hier nicht nur wunderhübsche Soul-Versatzstücke, sondern klingt tatsächlich beseelt.
Gemeinsam mit Philipp Poisel ist die Top-10-Single Wolke 7 entstanden, die ein eigentlich sperriges Klavier-Sample sehr gekonnt zum Fundament macht und im Refrain so etwas wie Unheilig-Feeling entwickelt. Berlin – Tel Aviv (mit Sophie Hunger) erzählt zu sehr geschmackvollen Jazzklängen ein Kapitel aus Max Herres Familiengeschichte aus der Zeit des Dritten Reichs. Nicht ganz so weit zurück blickt 1992, in dem sich Max Herre zu einer schönen Bass-Line, mit Stolz, aber ohne Arroganz an seine ersten Gehversuche im HipHop erinnert. „Rap ist mein Talent und meine Identität“ – das war damals schon klar, und für beides liefert Max Herre nun mit Hallo Welt noch einmal den Beweis ab.
Er kann es noch: Max Herre trägt ein Stück von Rap ist vor, live im Kiosk:
httpv://www.youtube.com/watch?v=-OXaMqDzjDc
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