Künstler*in | Maximilian Hecker | |
Album | Mirage Of Bliss | |
Label | Blue Soldier Records | |
Erscheinungsjahr | 2012 | |
Bewertung | Foto oben: (C) Blue Soldier Records / Julija Goyd |
Romantik ist für Blumenhändler eine existenzielle Geschäftsgrundlage, war als Epoche der Literaturgeschichte höchst interessant und wird als grundsätzliche Perspektive für den Blick auf das Leben nach wie vor sträflich unterschätzt.
Maximilian Hecker ist der vielleicht größte Romantiker des Landes. Der gebürtige Heidenheimer spielt trotz internationaler Erfolge weiter gerne Konzerte in der Fußgängerzone. Er macht Alben, die er I’ll Be A Virgin, I’ll Be A Mountain nennt. Und er bringt es sogar fertig, nach Tokio zu reisen, um dort seine Muse wieder zu finden und ihr endlich „ihre“ Platte zu übergeben. Seine Suche führte ihn im Herbst 2010 beispielsweise ins Rotlichtviertel Dogenzaka, er wurde aber nirgends fündig. Dafür verliebte er sich in eine japanische Fotografin, für die er dann nach Tokio zog, um aber schon sechs Wochen später nach Berlin zurückzukehren – natürlich mit gebrochenem Herzen, wie sich das für einen echten Romantiker gehört.
Dabei könnte man ihn trotz solcher Missgeschicke mit einigem Recht einen Glückspilz nennen. Maximilian Hecker hat es vom Straßenmusiker zum Popstar gebracht. Er hat es geschafft, seine eigene Plattenfirma (Blue Soldier Records) an den Start zu bringen. In diesen Tagen kommt sein erstes Buch namens The Rise And Fall Of Maximilian Hecker in die Läden. Und bei der Entstehungsgeschichte von Mirage Of Bliss, seinem gerade erschienenen siebten Album, hatte Fortuna ebenfalls ihre Finger im Spiel. Oder sogar einen ganzen Arm.
Denn eigentlich sollte die Platte keine große Sache werden. Hecker nahm die Demos im Frühjahr 2011 einfach bloß auf einem Diktiergerät auf und wollte damit den Weg in Richtung der beinahe amateurhaften Reduktion weiter gehen, den er schon mit dem Vorgänger I Am Nothing But Emotion, No Human Being, No Son, Never Again Son eingeschlagen hatte. Bloß aus Witz schickte er die Ideen für die neuen Lieder an ein paar namhafte Produzenten. Und die zeigten sich dann aber erstaunlich interessiert.
Chris Potter (The Verve, Richard Ashcroft) war ebenso angetan wie Martin Terefe (Ron Sexsmith, James Morrison, A-ha). Die Wahl fiel dann aber auf einen noch größeren Namen: Youth hat nicht nur Killing Joke mitgegründet und mit The Verve und Embrace gearbeitet, sondern spielt in der Band The Fireman auch gemeinsam mit einem gewissen Paul McCartney. Youth und Hecker finden schnell eine gemeinsame Wellenlänge, und so lässt sich Hecker doch zu einem richtigen, üppig klingenden Album hinreißen. In Youths Studio in Südspanien entstehen zwölf Songs in nur zwei Wochen. Youth spielt darauf den Bass, alles andere steuert Maximilian Hecker bei.
An der Musik des Deutschen schätze er vor allem dessen „Leidenschaft für tiefempfundene Gefühle, die man heutzutage kaum zu hören bekommt; denn diese Gefühle sind in der Regel alle getarnt durch sehr klug konstruierte Masken des Coolseins“, sagt Youth. „Ich glaube, dass man heutzutage sehr furchtlos, mutig und tapfer sein muss, um die Gefühle und Empfindungen offenzulegen, die Max heraufbeschwört und hervorbringt. Und das ist das Aufregende.“
In der Tat ist es kaum zu fassen, wie schonungslos sich Maximilian Hecker auf Mirage Of Bliss veräußert. Niemals versucht er, seinen Schmerz und seine Trauer, sein Herz und seine Begeisterung zu verstecken. Das Ergebnis sind wunderhübsche Wehmutslieder, durchaus ähnlich den allerersten Liedern von Coldplay.
Der Opener The Whereabouts Of Love klingt gleich so hauchzart, als habe Morten Harket ein Benefizlied für die SOS-Kinderdörfer aufnehmen wollen. Der Track ist durchaus opulent, aber der Kern als Klavierballade bleibt dabei stets sichtbar. Auch im reduzierten The Forsakenness Of Raging Love kurz vor Schluss kann man deutlich erkennen, was den Reiz ausmachte, auf den all diese Produzenten schon bei den spartanischen Demos angesprungen sind: eine tolle Melodie, eine wunderhübsche Stimme – und kein bisschen Distanziertheit.
Das robustere Head Up High hätte gut ins Repertoire von Ozark Henry gepasst, das herrlich schwelgerische Treasure Trove lässt an die frühen Balladen von Eskobar denken. Der Titelsong ist das beste Lied des Albums und klingt, als sei Maximilian Hecker vollends in einem Land angekommen, in dem es immer nur Zuckerwatte zum Essen gibt, sich die Menschen in Seifenblasen fortbewegen und die Post von Schmetterlingen ausgetragen wird. If Only I Could See muss man selbst inmitten all dieser zurückhaltenden Lieder noch eine Ballade nennen.
Auf Dauer ist das zwar arg eintönig, etwa wenn mit dem Walzer Why The World Has Turned For Us noch so ein Lied erklingt, dessen Botschaft „Ach herrje, die Liebe“ lautet, das „alone“ auf „unknown“ reimt und „daybreak“ natürlich auf „heartache“. Erträglich bis schön bleibt all das aber trotzdem – weil man sicher sein kann, dass die Romantik bei Maximilian Hecker niemals eine Pose ist, sondern ein Geisteszustand, aus dem es für ihn wohl kein Entrinnen geben wird. In Treasure Trove scheint er das selbst erkannt zu haben: „I am wandering, I am straying, I will always do.“
Maximilian Hecker spielt Mirage Of Bliss:
httpv://www.youtube.com/watch?v=Xq52b0PdECc