Maximo Park – „The National Health“

Künstler*in Maximo Park

Die Lage des Landes haben Maximo Park auf "The National Health" durchaus im Blick.
Die Lage des Landes haben Maximo Park auf „The National Health“ durchaus im Blick.
Album The National Health
Label Universal
Erscheinungsjahr 2012
Bewertung

Hilfe! Paul Smith hat mit dem Heulsusen-Gestus seines Soloalbums nun auch Maximo Park angesteckt. Da kommen sie nach drei Jahren zurück, und dann erklingt tatsächlich zuerst eine Klavierballade, in der sich ein nicht mehr ganz junger Mann nach der guten alten Zeit sehnt. Schnüff.

Die gute Nachricht: So klingt nur der erste Track auf The National Health, dem vierten Album des Quintetts aus Tyne and Wear. Ansonsten liefern Maximo Park wieder das, wofür man sie schätzt: Indierock, bei dem sich hoher Spaßfaktor, unglückliche Liebesgeschichten und gern gezeigte Belesenheit nicht gegenseitig ausschließen.

Ein bisschen hat Paul Smith aber auch das Versprechen wahr gemacht, das er mir im Interview beim Highfield vor drei Jahren gegeben hat: „Ich will Maximo Park neu erfinden“, hatte er da angekündigt. Ein paar Innovationen finden sich eindeutig auf The National Health: Es gibt deutlich mehr Synthesizer-Unterstützung als früher und etwas mehr Balladeskes wie das hübsche Unfamiliar Places kurz vor Schluss. Die eigentliche Innovation steckt aber in den Texten: Maximo Park sind auf ihrem vierten Album politisch geworden. Zumindest ein bisschen.

„England is ill and it is not alone”, singt Paul Smith im Vollgas-Titeltrack, später klingen die London Riots an, die Angst der Mittelschicht, ein digitales Unwohlsein. „Die Welt ist in einer Rezession, und natürlich spiegelt sich das auch in der Platte wieder. Unsere Lieder schauen sich die Welt an, wie sie so ist. Und sie ist auf jeden Fall kompliziert“, hat Paul Smith diesen neuen Aspekt im Interview mit Welt Online erklärt. Er betont aber auch: „Wir wollen als Band jetzt nicht politisch sein. Politische Bands sind meistens langweilig, weil eindimensional. Bestenfalls deutet man doch Zusammenhänge nur an. Wir wollen nie sagen: Das ist gut, das ist schlecht. So einfach ist es ja auch alles nicht. Und niemand, wirklich niemand, braucht einen Pop-Hansel, der ihm oder ihr die Weltpolitik erklärt.“

Entsprechend dezent sind die Hinweise auf die Lage des Landes, aber sie verleihen The National Health trotzdem eine Relevanz, Reife und Bandbreite, die es bei Maximo Park bisher nicht gab. Banlieue ist ein gutes Beispiel dafür, in dem die Stimme plötzlich tief und düster klingt wie bei den Sisters Of Mercy, und die Zeile „here come the animals“ dadurch noch bedrohlicher wird. Ein erfreulich schamloses Statement in Zeiten, in denen jeder dem anderen gerne zu große Gier vorwirft und mehr Sparwille anmahnt, ist das schmissige Wolf Among Men mit dem Eingeständnis: „I am a wolf among man / and I take what I can get“.

Dazu jubiliert der Gesang beinahe und die Orgel klingt wie eine Gute-Laune-Zwischenmusik beim Eishockey. Derlei reizvolle Widersprüche hat The National Health wiederholt zu bieten: The Undercurrents ist zart und doch dringlich, Until The Earth Would Open vereint Verspieltheit und Entschlossenheit. „Emotionalität und Coolness, weich und schnell schließen einander nicht zwangsläufig aus“, hat Paul Smith im Gespräch mit Welt Online erklärt, und diese Lieder beweisen es.

Dazu lässt er sich diesmal von Elektro verführen (Hips And Lips), singt dezent kaputte Liebeslieder wie eh und je (die tolle Single Write This Down) oder gibt einen sehr entspannten Morrissey (Reluctant Love).

Ansonsten beweisen Maximo Park, dass sie auch in ihren kraftvollen Momenten nach wie vor unterhaltsam und originell bleiben können. In This Is What Becomes Of The Broken Hearted steckt trotz seines Titel kein bisschen Weinerlichkeit, sondern ein quietschfideles Power-Piano. Auch der Rausschmeißer Waves Of Fear hat reichlich Punch. Dass 6 der 13 Titel nicht länger als drei Minuten sind, sorgt ebenfalls dafür, diesem Album eine erfreuliche Dringlichkeit zu verleihen. Das ist alles in allem ein sehr passendes Klangkostüm für Maximo Park im achten Jahr ihrer Karriere. Mit The National Health zeigen sie, dass sie noch immer kurzweilig, relevant und gut für eine Überraschung sind.

Maximo Park spielen bei Rock am Ring 2012:

httpv://www.youtube.com/watch?v=54yi4HGRFE4

Maximo Park bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.