Künstler | Michael Bublé |
Album | To Be Loved |
Label | Reprise |
Erscheinungsjahr | 2013 |
Bewertung |
Warum singt Michael Bublé? Die Frage mag sich mancher stellen, der Geigen, nette Melodien und kreuzbrave Männer, die problemlos als Traum aller Schwiegermütter durchgehen könnten, als persönliche Beleidigung empfindet. Erst recht, wenn sie Sätze sagen wie diese: „Ich denke, dies ist das beste Album, das ich bisher gemacht habe. Ich weiß, jeder Künstler auf der Erde sagt das, wenn sein neues Album erscheint, aber wirklich – dieses Mal ist es wahr. Ich schwöre es. Ihr könnt meine Mutter fragen.”
Die Frage, warum Michael Bublé singt, stellt sich aber auch, wenn man ihn nicht hasst und einfach bloß das von ihm selbst derart gepriesene To Be Loved anhört, das sechste Studioalbum seiner Karriere. Nach drei Liedern kann man nicht anders als desorientiert sein. Das Album beginnt mit einer schmissigen Big-Band-Nummer, die auch gut auf Robbie Williams‘ Swing When You’re Winning gepasst hätte. Dann gibt es die Single It’s A Beautiful Day, einen gelungenen, opulenten Popsong über den Moment, in dem man bemerkt, dass es eigentlich eher ein Glücksfall ist, dass man gerade verlassen wurde. Und im Anschluss eine Coverversion des Bee-Gees-Klassikers To Love Somebody, der die Weinerlichkeit des Originals ablegt, aber dessen Innigkeit bewahrt und ein bisschen Motown-Feeling hinzufügt.
Das ist derart durcheinander, dass Michael Bublé schon nach knapp zehn Minuten wie eine menschliche Jukebox wirken muss, ein Dienstleister, ein Sänger ohne Identität. Als wollte er diese These bestätigen, fasst der Kanadier sein neustes Werk so zusammen: „Das Album swingt reichlich – es rockt – es steckt voller Seele – es ist fröhlich – manchmal ein bisschen traurig – es ist romantisch – es ist toll und kommt aus dem Herzen.” Also: Alles und nichts.
Die 14 Lieder auf To Be Loved sind zu einhundert Prozent gekonnt und zu null Prozent originell, aber sie liefern nach diesem wirren Auftakt trotzdem die Antwort darauf, warum Michael Bublé singt. Der Vorwurf mit der menschlichen Jukebox und dem Dienstleister ist dabei gar nicht so falsch. Der Kanadier steckt nicht in einer seelischen Klemme, aus der er sich durch seine Lieder befreit („Ich bin ein sehr glücklicher Mensch und will dies niemals vergessen”, sagt er). Er muss nach 30 Millionen verkauften Tonträgern längst nicht mehr singen, um Geld zu verdienen. Und es geht ihm, auch wenn er diesmal an vier Liedern selbst mitgeschrieben hat, auch nicht darum, seine Ansichten in die Welt zu tragen. Im Gegenteil: Michael Bublé singt nicht für sich. Sondern für alle anderen.
In jedem Track auf dieser Platte spricht er ganz explizit ein Gegenüber an. Das passiert zwar meist nur durch ein allgemeines „You“, „Baby“ oder „Hey there cutie“. Aber die Mitmenschen sind hier immer integraler Bestandteil der Liedwelt. Die einzige Ausnahme ist der Titelsong To Be Loved, und das wohl auch nur, weil er da seine Methode ins Grundsätzliche überführt. „What a feeling / to be loved“, heißt der Lobpreis in dem Song, der ursprünglich von Jackie Wilson aufgenommen wurde (und in Melodie und Arrangement einige Ähnlichkeiten mit If I Can Dream von Elvis aufweist). Das zeigt: In der Musik von Michael Bublé geht es nicht um Selbstverwirklichung. Sondern um Kommunikation, um Miteinander.
You’ve Got A Friend In Me (geschrieben von Randy Newman) unterstreicht diesen Ansatz schon im Titel sehr eindrucksvoll. Auch sonst besingt Michael Bublé am liebsten das kleine Glück. Fast provozierend zufrieden klingt er im hymnischen I Got It Easy. „I’ve never been in trouble / I never got hurt / never had to struggle / I never had to work“, lautet die erste Strophe. Das schöne Who’s Lovin‘ You (einst ein Hit für die Jackson 5) ist noch so ein Fall von Genügsam- und Dankbarkeit, auch die wunderhübsche Dean-Martin-Schnulze Nevertheless (I’m In Love With You) gehört dazu, veredelt vom Harmoniegesang der Puppini Sisters, der klingt, als sei er 1962 eingefroren und nun extra für dieses Album wieder aufgetaut worden.
Ohnehin regiert auf To Be Loved die Nostalgie. Es gibt gerade einmal drei Lieder, deren Entstehung man halbwegs in der Nähe des Jahres 2013 verorten würde. Der Rest kommt aus der Zeit, von der man gerne meint, sie sei die „gute alte“ gewesen.
Das verschmitzte Come Dance With Me hätte mit seinen Latin-Einflüssen gut auf den Soundtrack von Dirty Dancing gepasst. Der Rausschmeißer Young At Heart scheint ebenfalls schon gut und gerne 50 Jahre auf dem Buckel zu haben. “Young At Heart ist mein Liebesbrief an Mr. Sinatra und seine frühen Jahre bei Columbia Records. Ich habe versucht, ihm mit dieser Version die Ehre zu erweisen“, sagt Michael Bublé. Einmal ist Ol‘ Blue Eyes deshalb auch noch etwas präsenter: Gemeinsam mit Reese Witherspoon hat Michael Bublé dessen Something Stupid noch einmal aufgenommen. „Es war traumhaft, mit ihr zu arbeiten, und wir beide sind sehr glücklich mit dem, was aus dem Song geworden ist. Ich hoffe, sie wird ihn irgendwann zusammen mit mir auf der Bühne singen”, sagt er über das Stück, das dem Original eine etwas penetrante spanische Gitarre und einen interessanten, dezenten HipHop-Beat hinzufügt.
Mit seinem Landsmann Bryan Adams (die beiden haben nicht nur die Nationalität gemeinsam, sondern auch den Manager) gibt es noch einen Stargast auf To Be Loved. Zusammen haben sie den Song After All geschrieben, der ein bisschen willkommenen Schwung in die Sache bringt. „Das erste Album, das ich mir gekauft habe, war Reckless von Bryan Adams. Er war und ist ein großer Held für mich. Stellt Euch vor, wie aufregend es war, einen Song mit ihm zu schreiben, und dann ins Studio zu gehen und After All aufzunehmen”, schwärmt Michael Bublé. Was Bryan Adams zu der Zusammenarbeit sagt, ist nicht überliefert. Fest steht aber: Der Altmeister hat zwar schon bessere Duette hinbekommen (mit Tina Turner oder Mel C. zum Beispiel), aber auch schon schlechtere (mit Bonnie Raitt oder Barbra Streisand).
Richtige Ausfälle gibt es auf To Be Loved, das von Bob Rock (noch ein langjähriger Wegbegleiter von Bryan Adams, aber auch schon für Metallica oder Bon Jovi im Einsatz) produziert wurde, ohnehin nur zwei: Das kitschige Close Your Eyes vereint alles, was man an Michael Bublé verabscheuen kann. Der 37-Jährige schrieb den Song „über meine Frau und die Macht aller Frauen in meinem Leben – meiner Schwestern, meiner Mutter, meiner Grandma und aller Frauen ganz im Allgemeinen“, sagt er. Das Ergebnis klingt allerdings allzu klinisch, gesungen von einer Stimme, die nicht stärker nach Mainstreamradio klingen könnte, wenn man sie im Labor extra zu diesem Zwecke herangezüchtet hätte. Have I Told You Lately That I Love You ist ebenfalls misslungen, denn Michael Bublé verfehlt den Charakter des Songs: Seine Version klingt deutlich zu beiläufig für ein Lied, das gerade das Besondere im scheinbar Beiläufigen thematisiert.
Elvis Presley und Rod Stewart haben mit ihren Interpretationen von Have I Told You Lately den Maßstab dafür geprägt, wie gut dieses Lied klingen kann. Michael Bublé kommt nicht einmal in die Nähe davon. Trotzdem ist der Vergleich interessant: Elvis und Rod Stewart hat man niemals vorgeworfen, dass sie einfach mit einer sehr schönen Stimme sehr schöne Lieder singen. Bei Michael Bublé ist das anders. Er muss sich als Weichei und „the Frank Sinatra of the Pop Idol age“ (Guardian) verhöhnen lassen. Der Grund liegt auf der Hand: Michael Bublé fehlt das Disparate, irgendetwas, das nicht nur schön ist, sondern auch interessant, relevant oder gar innovativ. Doch To Be Loved zeigt: Er strebt gar nicht danach. Er singt einfach. Und warum singt er? Weil es ihm, ganz offensichtlich, Spaß macht.
Michael Bublé singt gerne. Manchmal auch schief. Wie bei Wetten Dass:
httpv://www.youtube.com/watch?v=zhK4RcgOG2M