Künstler | Middle Class Rut |
Album | Pick Up Your Head |
Label | Bright Antenna |
Erscheinungsjahr | 2013 |
Bewertung |
“It does sound more like a normal rock band”, sagt Sänger/Gitarrist Zack Lopez über Pick Up Your Head, das zweite Album von Middle Class Rut. Das wird für Fans des Duos aus Sacramento wie eine Warnung klingen. Schließlich hatte man Lopez und seinen Mitstreiter Sean Stockham (Schlagzeug/Gesang) nach dem Debüt No Name No Color genau dafür ins Herz geschlossen, dass sie zu zweit zwar eine Menge Lärm und Ärger machen konnten, aber gerade durch die Beschränkung nur auf Gitarre und Drums eben nicht wie eine normale Rockband klangen. Und schließlich wissen die Fans wohl auch um die Vorgeschichte von Middle Class Rut: Lopez und Stockman spielten früher zusammen in einer Band namens Leisure – und zwar ganz konventionellen Mainstreamrock.
Hört man Pick Up Your Head an, dann können die Fans der ersten Stunde beruhigt sein: Middle Class Rut haben sich nicht plötzlich in die Kings Of Leon verwandelt. Das Album hat noch immer genug Energie, um eine mittlere Kleinstadt zu versorgen. Der Opener Born Too Late kommt herangestürmt mit der Wut, Gewalt und Entschlossenheit eines Rachegotts aus dem Alten Testament. No More oder Police Man sind lupenreiner Hardrock, You Don’t Belong zeigt, was wohl dabei herausgekommen wäre, hätten sich Rage Against The Machine irgendwann entschieden, nur noch Punk zu machen.
Auch die schlechte Laune gehört bei Middle Class Rut nach wie vor zum guten Ton. „Let me live your life / you can live mine“, lautet das Angebot in der rabiaten Single Aunt Betty. Das beinahe theatralisch zu nennende Sing While You Slave ist die Vertonung des Stumpfsinns eines dämlichen Jobs. Der Rausschmeißer Take A Shot ist träge und trotzig, schwerelos und deprimiert und mehr oder weniger eine Aufzählung diverser Scheiße, die das Leben so mit sich bringen kann.
Trotz dieser bewährten Elemente hat Pick Up Your Head etliche neue Facetten. “We realized we’d exhausted everything we could do with drums, guitar, and vocals. Once we decided to take an ‘anything goes’ approach, the songs poured out. We were freer with layering and didn’t worry if we couldn’t reproduce it live, as long as we captured the music with the highest energy possible”, erklärt Lopez die neue Herangehensweise, deren Ergebnisse definitiv begrüßenswert sind. Leech klingt mit seinen kaputten Glamrock-Anleihen wie T. Rex aus der Gosse (also wie Kasabian). Cut The Line entwickelt dank seiner nervösen Surfgitarre einen tollen Drive.
Das von Sean Stockman gesungene Dead Eye (in dem er den Verlust etlicher Freunde und Verwandter in jüngster Zeit thematisiert) wird sogar, kaum zu fassen, beinahe akustisch, ein Moment zum Luftholen ungefähr in der Nähe der Vines. Der Titelsong schafft es, Latin-Elemente mit Sounds zu vereinen, die im Prinzip Industrial sind. Der Track macht am besten deutlich, wie spontan Middle Class Rut diesmal gearbeitet haben: “Instead of jamming together, I’d write a bass line or a vocal melody. Sean would lay down a tempo and we’d write around that. For percussion, we’d use whatever was laying around – pots and pans, an old desk – anything with a nice crack and ring to it.”
Die neuen Elemente unterstreichen nicht nur die Kreativität von Middle Class Rut, sie haben noch einen anderen erstaunlichen Effekt: Erst jetzt wird richtig deutlich, wie wichtig die Stimme von Zack Lopez für den Sound der Band ist. Sein Organ ist irgendwo zwischen John Lydon, Mike D. und Dexter Holland angesiedelt. Das heißt: Er ist wohl einer dieser Menschen, die als schreiendes Baby auf die Welt kamen und dann einfach nie mehr aufgehört haben zu schreien. Das ist die perfekte Stimme für eine Musik wie diese, auch auf Pick Up Your Head: anti-subtil, anti-normal, anti-langweilig.
Live sind Middle Class Rut jetzt zu fünft, wie man hier sehen kann:
httpv://www.youtube.com/watch?v=u5KxCcovqbI