Künstler | Milow | |
Album | From North To South Live | |
Label | Homerun Records | |
Erscheinungsjahr | 2012 | |
Bewertung |
Ein Livealbum. Schon wieder. Milow hat erst 2009 mit Maybe Next Year einen Konzertmitschnitt veröffentlicht, jetzt erneut. Dazwischen lag mit From North To South nur ein einziges Studioalbum. Das ist aber nur auf den ersten Blick verwunderlich. Aus zwei Gründen.
Erstens: Milow, den seine Mama und das Finanzamt zuhause in Belgien wahrscheinlich immer noch Jonathan Vandenbroeck nennen, liebt Livealben. Im Konzert erlebt er seine Musik quasi als Konzentrat dessen, was er mit ihr vermitteln will. „Ich mag es einfach, meine Lieder live zu singen. Purer kann die Seelenkraft der Lieder nicht sein und die Reaktionen der Zuhörer nicht unmittelbarer. Deshalb liebe ich es, sie auch live auf CD zu bannen.“ Er misst den Erfahrungen in seinen Shows sogar so viel Bedeutung bei, dass er neue Songs normalerweise erst intensiv auf der Bühne testet, bevor sie irgendwann im Studio ihre endgültige Form finden. „Kaum, dass ich ein Stück geschrieben habe, will es raus auf die Bühne, es will die einzigartige Stimmung, die Eindrücke, Gefühle und Emotionen spüren“, sagt Milow. „Du kannst so viel aus der Reaktion des Publikums lernen. Anschließend arrangiere ich es zu Ende und nehme es dann auf.“
Zweitens: Seine Musik offenbart live tatsächlich erst ihre ganze Wirkung. Es geht hier, ähnlich wie bei Philipp Poisel, ums Einverstandensein und Aufgehobenfühlen. Es geht um Trost, Berieselung und Hoffnung. Im Konzert ist diese Komponente sofort präsent, die Bewunderung der Fans, das Gemeinschaftsgefühl des Publikums, die Dankbarkeit von Milow für diese Reaktionen – all das ist unverzichtbar für diese Lieder, die ohne all diese Effekte oft genug einfach nur kreuzbraver Schmusepop wären.
Eine entsprechend große Rolle dürfen die Fans dann auch auf From North To South Live spielen. „Ich hasse diese Live-Alben, die so clean und sauber sind, dass das Publikum nicht mal ansatzweise zu hören ist. Bei mir hat das Publikum größten Anteil am Konzert und ist deshalb auch genau in diesem Maße auf der CD zu hören“, sagt Milow. She Might She Might ist ein gutes Beispiel dafür, das nur mit Banjo und Gesang putzig und rührend beginnt, dann von einer Bottleneck-Gitarre und Percussions begleitet wird und am Ende die Fans so enthusiastisch und vor allem taktgenau mitklatschen lässt, als seien sie beim Kirchentag oder in der nordkoreanischen Variante der ZDF-Hitparade.
Auch Ayo Technology ist später ein tolles Beispiel dafür, wie sich Künstler und Publikum hier gegenseitig bestärken. In You Don’t Know baut eine spanische Gitarre ein üppiges Intro, bevor Milow zu einer sehr schönen Melodie sehr schön seine sehr einfache Botschaft singt: „You don’t know anything about me.“ Wie gut er damit verstanden wird, demonstriert hier ebenfalls der Gesang der Zuschauer, der noch ein wenig beseelter klingt als in anderen Momenten von From North To South Live.
Der ewige Wohlklang wird natürlich auf Dauer zum Problem auf dieser Platte. Das siebenminütige Never Gonna Stop beispielsweise ist todlangweilig und nichtssagend, danach klingt California ebenfalls viel zu seicht, wie die schlimmsten Momente von A-ha. Little In The Middle ist so unverschämt naiv, heiter, unprätentiös und geradeaus, dass man sich gut ein paar fiese Rednecks vorstellen kann, die über dieses Lied Sätze wie „Das ist noch echte Musik, Mann!“ sagen. Und You And Me (In My Pocket) ist mit seinem kitschigen Text voller Meerjungfrauen, Federkleider und Miniaturausgaben der Liebsten, die man dann praktischerweise in die Tasche stecken kann, ebenfalls schwer zu ertragen. Egal, wie umtriebig die Schmetterlinge im Bauch sein mögen: Diese Bilder sind keine Romantik, sondern Blödsinn.
Move To Town, das an Crowded House denken lässt, bietet immerhin sehr schönen Harmoniegesang. Und neben vielen soliden Songs wie Building Bridges (nur mit Gitarre und Gesang) oder dem Rausschmeißer Where My Head Used To Be (nicht live, sondern der einzige Studio-Track auf dieser Platte) schafft es Milow inmitten seiner Harmlosigkeit auch, ein paar Überraschungen und Widerhaken auf From North To South Live unterzubringen. In Car Wreck In The Lake ganz zu Beginn ist die E-Gitarre kurz davor, Neil Young zu huldigen. Dreamers And Renegades wird vergleichsweise robust – so würden wohl Ryan Adams oder Kristofer Åström klingen, wenn sie noch niemals im Leben wirklich richtig am Arsch gewesen wären. Und in das zärtliche, Travis-mäßige The Kingdom scheint sich ein getarntes Saxofon hineingeschlichen zu haben.
Mehr als 50 Shows hat Milow zwischen Oktober und Dezember 2011 mitschneiden lassen, um das Material für From North To South Live zusammenzustellen. Die Aufgabe war äußerst schwierig, wie der 31-Jährige erzählt: „Ich brauchte ein wenig Abstand und war anschließend überwältigt, was ich da zu hören bekam. Ich hatte echte Schwierigkeiten, meine Lieblingstitel auszuwählen. Das Publikum hat geklatscht, getobt und aus voller Kehle mitgesungen. Sie waren fast wie ein zusätzlicher Musiker.“
Es ist diese echte Begeisterung für das eigene Werk (übrigens ausführlich dokumentiert auf der Bonus-DVD, die From North To South Live beiliegt), die Milow erträglich macht. Er macht Schmusepop, der darum weiß, dass er bloß Schmusepop ist. Ein Lied braucht bei ihm keine Relevanz jenseits seiner Schönheit und soll lediglich dafür sorgen, dass sich die Leute ein bisschen glücklicher fühlen. Und falls das die Welt noch nicht besser macht, hat er noch einen anderen Ansatz: Für jedes verkaufte Exemplar von From North To South Live (und für jedes verkaufte Ticket bei der anstehenden Tour) will Milow einen Baum pflanzen.
Milow spielt Car Wreck In The Lake live:
httpv://www.youtube.com/watch?v=WGonRbMX-jE
Im November ist Milow auf Tour in Deutschland:
5.11. Offenbach / Capitol
6.11. Offenbach / Capitol
22.11. Köln / Gloria (ausverkauft)
23.11. Köln / Gloria (ausverkauft)
24.11. Köln / Tanzbrunnen
25.11. Köln / Gloria
Ein Gedanke zu “Milow – „From North To South Live“”