Künstler*in | Mull Historical Society | |
Album | City Awakenings | |
Label | Xtra Mile | |
Erscheinungsjahr | 2012 | |
Bewertung |
14 Mal kommt das Wort “City” auf dieser Platte vor. Das ist kein schlechter Schnitt bei insgesamt 10 Liedern. Und der offensichtlichste Beweis: City Awakenings, seit 2005 die erste Platte, die Colin MacIntyre wieder unter dem Moniker Mull Historical Society veröffentlicht, ist so etwas wie ein Konzeptalbum.
“Cities have been an explosion of the senses to me,” schwärmt MacIntyre, der zuvor zwei Platten unter seinem eigenen Namen und davor bereits drei Alben als Mull Historical Society herausgebracht hat. “The songs are breezy pop, some are widescreen things, and some are more minimalist, punchy tales of finding yourself in the city, leaving them, arriving in them, burning them, living in them, and what its like for a child to see one of them for the first time. I remember that. They are mostly upbeat songs about people living their lives.“
Man ist versucht, jedes der zehn Lieder auf City Awakenings in irgendeiner Stadt zu verorten. Aber dieses Vorhaben würde schnell in die Sackgasse führen. Die Musik der Mull Historical Society dreht sich um die klassischen Brutstätten der Rockmusik: London und Liverpool, New York und Nashville, Glasgow und Graceland.
City Awakenings kann man am besten mit dem Begriff „grundsolide“ umschreiben. MacIntyre liefert Lieder, die gut zu den Kooks oder Lightning Seeds passen würden (wenn der Schotte seine britische Seite auslebt), aber auch zu den Gin Blossoms oder den Rembrandts (wenn er sich auf die andere Seite des Atlantiks träumt). Es gibt wenig, was man nicht so oder so ähnlich schon einmal gehört hätte. Aber es gibt genug Klasse, um verstehen zu können, warum die Mull Historical Society einmal auf Platz 12 der besten schottischen Bands aller Zeiten gewählt wurde.
Der Opener Must You Make Eyes On Me Now ist gefällig und unspektakulär im Sinne von Travis, den Zutons oder Gomez, hat aber doch die nötige Dosis Druck. Can You Let Her Know, das mit seiner Sehnsucht nach amerikanischer Weite perfekt ins Oeuvre von Ryan Adams passen würde, ist kernig und dringlich, im Refrain sogar feurig. The Lights, eine wunderbare Erinnerung an die erste faszinierende Begegnung mit der Großstadt in der Kindheit, strotzt vor Romantik und Nostalgie.
In Honey Pie kontrastiert der aggressive Bass der Strophe gekonnt mit dem beinahe filigranen Refrain. This Is Not My Heart ist schön schwelgerisch, lässt aber (trotz eines bombastischen Finales in Meat-Loaf-Dimensionen) die nötige Finesse vermissen, um als Ballade wirklich in der ersten Liga zu spielen. Der Rausschmeißer heißt in Anspielung auf The Clash zwar Thameslink (London’s Burning), ist dann aber ungefähr so Punk wie das Oberarm-Tattoo von Bettina Wulff. Stattdessen entfaltet sich ein beinaher instrumentaler, faszinierender Soundkosmos.
Der beste von vielen guten Songs ist Fold Out City. Auch darin greift MacIntyre seine Kindheitserinnerungen auf, er ruft sich zu einem rührenden, akustischen Hintergrund seine „cinematic dreams“ ins Gedächtnis, singt ein wenig wie Bono und lässt den Song eine ganz erstaunliche Entwicklung nehmen. Hier macht MacIntyre am deutlichsten klar, mit welcher Leichtigkeit er hübsche Melodien aus dem Ärmel schütteln kann und welch feines Gespür für die genau passenden Arrangements er besitzt.
In seiner Heimat hat man ein Wort für solche Leute: tunesmith. Darin schwingt viel Anerkennung für die meisterhafte Beherrschung des Metiers mit. Aber auch ein Element, das (neben einem etwas glanzlosen Mastering) City Awakenings auch ein paar Mal im Wege steht: Manchmal ist dieses Album zu viel Handwerk – und zu wenig Herzblut.
Einen Blick ins Studio gewährt das Making Of von City Awakenings:
httpv://www.youtube.com/watch?v=TG0ZZR_BWLI