Künstler | Nelly Furtado | |
Album | Whoa Nelly | |
Label | Dreamworks | |
Erscheinungsjahr | 2000 | |
Bewertung |
Whoa Nelly. Der Titel klingt etwas albern, ist aber gar nicht so verkehrt gewählt. Denn wenn man Nelly Furtado live erlebt, ist man überrumpelt – und will das junge Ding erst einmal bremsen. Sie stürzt sich mit Haut und Haaren in ihre Musik, und an der Energie, die sie dabei vermittelt, merkt man, wie viel ihr diese Musik bedeutet. „Ich mag den Klang meiner Stimme am liebsten in einem Stadion. Ich will so viele Leute wie möglich erreichen, nicht nur eine Handvoll“, sagt sie. Mangelnden Ehrgeiz kann man ihr wirklich nicht vorwerfen. Fehlenden Enthusiasmus auch nicht.
Vielleicht ist gerade das aber auch das Problem von Nelly Furtado. Sie will ganz nach oben – aber sie weiß noch nicht so recht, wie sie dorthin kommen soll. Produzent oder Plattenfirma wären die üblichen Verdächtigen, die ihr dann ein paar wenig hilfreiche Empfehlungen gegeben haben (Widerstand von Nelly war wohl kaum zu erwarten, denn sie selbst sagt von sich: „Ich bin zu aufrichtig, um Popstar zu sein. Ich bin Kanadierin.„).
Die Herren haben ihr wohl eingeredet, dass HipHop das ganz große Ding und außerdem auch genau das Richtige für sie sei. Deshalb hat sie spinnerte Tex-Mex-Raps wie Baby Girl aufgenommen. Außerdem haben sich auch ein paar TripHop-Elemente eingeschlichen, denn vor ihrer Solokarriere sang Nelly in einer solchen Band. Dehalb hat sie My Love Grows Deeper, Part 1 aufgenommen, das allerdings nicht einmal Atmosphäre erzeugen kann.
Schließlich wollte sie wohl auch ihre Wurzeln nicht verleugnen (Nellys portugiesische Eltern stammen von den Azoren). Deshalb sind am Schluss im ausufernden Scared Of You und dem öden Rausschmeißer Onde Estás auch exotische Einflüsse zu hören. Diese Mischung ist spannend, aber längst nicht stimmig.
Am besten ist Nelly Furtado, wenn sie sich an unverfänglichem Pop versucht und ihn mit ihrer Stimme unverwechselbar macht. Beim Opener Hey Man! deutet sie das schon an – insbesondere, wenn ganz am Ende alle Streicher und Scratches plötzlich weg sind, und der Blick auf den Song (bezeichnenderweise sind gerade die besseren Stücke von ihr allein komponiert) nicht mehr verstellt ist. Auch im entspannt mediterranen Legend, dem sexy-country-something Trynna Find A Way und dem spielerisch-gelassenen Well, Well finden sich Spuren davon.
Ganz und gar offenbart Nelly Furtado ihre Fähigkeiten aber erst in I’m Like A Bird. Schon die Strophe groovt und swingt und federt, der Refrain hebt dann ab, ohne jede Kraftanstrengung – und schwebt. Ein Riesenhit. Auch durch Turn Off The Light zieht sich die Thematik der Unsicherheit (über die Welt, die Beziehung und sich selbst). Der Refrain ist catchy as catchy can, der Gesang (insbesondere im grandiosen Break) noch ein bisschen kratzbürstiger als sonst.
Diese Stücke lassen das Potenzial von Nelly Furtado erkennen und machen es um so ärgerlicher, dass sie sich für konfusen Quatsch wie Party oder I Will Make U Cry hergibt. Das nächste Mal sollte sie sich keine Kostümierungen mehr aufschwätzen lassen. In Shit On The Radio thematisiert sie diesen Konflikt sogar und beschwört auch gleich den richtigen Weg: „Stay true to myself.“
Reduziert ist sie am besten: eine Akustik-Version von Turn Off The Light:
httpv://www.youtube.com/watch?v=cFCXv5SjvJY
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