Künstler | New Found Land |
Album | New Found Land |
Label | Fixe Records |
Erscheinungsjahr | 2013 |
Bewertung |
Eine Bass Drum. Das ist das erste Instrument, das man auf diesem Album hört. Danach gesellt sich noch weiteres Schlagwerk hinzu, ein Beat entsteht. Ein durchaus ungewöhnlicher Start für eine Singer-Songwriter-Platte. Und ein Prinzip, das sich danach noch mehrfach wiederholt: Vier der ersten sieben Lieder auf diesem Album beginnen mit Rhythmusinstrumenten.
„Moment mal!“, wird jetzt manch einer sagen, „wieso Singer-Songwriter? New Found Land sind eine Band!“ Der Einwand ist gerechtfertigt, denn mit dem Debüt We All Die (2009) und The Bell (2010) gibt es schon zwei Alben von New Found Land, die als Werk eines losen deutsch-schwedischen Bandkollektivs entstanden. Das ist jetzt anders. Sängerin Anna Roxenholt hat erkannt, dass sie auch ohne ihre Mitstreiter kann. Die Schwedin, die seit 2007 in Berlin lebt, hat aus dieser Platte ein Solo-Werk gemacht, für das sie lediglich den etablierten Namen beibehält. Eine beachtliche Entscheidung, denn zur bisherigen Band gehörte unter anderem ihr Ehemann. „Es war ein langer Test für uns, aber wir haben diese Entscheidung gemeinsam getroffen und sind jetzt als Paar harmonischer denn je“, sagt Anna Roxenholt. Wie zur Bestätigung singt sie im schwer romantischen A Song We Never Learn To Sing noch einmal mit ihm gemeinsam.
Eine Singer-Songwriter-Platte (und zwar eine von der ungewöhnlichsten Sorte, die niemals an Stubenhocker mit Sozialphobie denken lässt, sondern an Abenteuerlust) kann man New Found Land aber auch aus anderem Grund nennen. Zum einen ist da die Entstehungsgeschichte. Die Arbeit am dritten Album von New Found Land begann im Berliner Studio „Chez Chérie“. Aber nach zehn Tagen zog sich Anna Roxenholt unzufrieden zurück. Sie ging nach Schweden, um im Haus ihrer Mutter noch einmal über den Songs zu brüten.
„Ich kochte mir jeden Morgen einen riesigen Pott Kaffee und verzog mich dann, um weiter an den Songs zu arbeiten, neue Elemente zu programmieren und mich den Overdubs zu widmen. Als ich da so saß, mit meinem Kaffee und völlig versunken in meiner Arbeit, merkte ich: New Found Land bin alleine ich“, erzählt sie. Passend dazu klingt hier Einiges nach Selbstfindung, nach Tagebucheintrag, nach jemandem der – in bester Singer-Songwriter-Manier – sein Leben in Lieder packt. „Enttäuschung“, sagt die Sängerin, „zieht sich wie ein feiner roter Faden durch die neuen Songs“.
Zum anderen gibt es hier Lieder, die sich problemlos in die klassischen Klangkoordinaten dieses Genres einfügen. Das traumhafte Nothing’s Ever Been Easier gehört dazu, auch Sweetness & Delight, in dem ein Weltschmerz steckt, wie ihn Nina Persson auch nicht schöner besingen könnte. Das Lied bleibt lange Zeit akustisch, bis eine E-Gitarre erklingt, die ganz alleine dafür sorgt, dass das Stück kein bisschen nach Bettkante klingt, sondern nach einem Nachtclub, in dem Anna Roxenholt immer noch singt, lange nachdem der letzte Gast gegangen ist.
Das ist die große Stärke von New Found Land: Bei aller Intimität und Authentizität steckt doch ganz viel Kraft und Experimentierfreude in diesen zwölf Liedern. Es darf gerne mal komplex werden wie in Everything Works. Anna Roxenholt, die einst Jazz studiert und das Album auch selbst produziert hat, ersetzt den Bass durch eine Tuba, wenn sie Lust darauf hat, wie im schwebenden The Cross, oder stellt einer mega-plakativen, beinahe ironischen E-Gitarre ein Glockenspiel zur Seite wie in Down Where I Belong.
Auch der bereits erwähnte Fokus auf Rhythmen ist ein Pluspunkt. Only My Winnings, das Stück, das mit der eingangs erwähnten Bass Drum beginnt, lässt seinen Beat von Synthesizer-Tönen umfließen, die wie Wellen an einem beinahe windstillen Tag wirken. Das rockige Mirror setzt zum Start auf ein sattes Schlagzeug, das auch danach den ganzen Song über dominant bleibt und auf einen hypnotischen Refrain à la Ladyhawke. Aus den Percussions am Anfang von Windowsill entwickelt sich ein Beat, der an Dub oder TripHop denken lässt. Durch den federleichten Gesang und den Eindruck, dass irgendwo im Kern dieses Lieds ein exotisches Geheimnis steckt, klingt das Ganze ein wenig wie eine sehr, sehr experimentelle Nelly Furtado.
It Would Mean The World To Me 2012 wird tanzbar und pulsierend. Das Klavier in The Hunter lässt gedanklich kurz das Wort „Boogie“ aufleuchten, Händeklatschen und Chorgesang sorgen für zusätzliche Ausgelassenheit. Im letzten Lied, What Is Love, singt Anna Roxenholt zunächst ganz ohne Begleitung, dann schwingt sich der Track fast unmerklich zu einem tollen Popsong voller Frühlingsgefühle und zarter Melancholie auf, der genau in dem Moment abrupt endet, als er abzuheben scheint. Auch das ist erstaunlich – und ein Beweis für das neue Selbstvertrauen in der neuen Gestalt von New Found Land. „New Found Land war immer mein Projekt“, sagt Anna Roxenholt. „Aber ich brauchte wohl eine Art Kokon um mich herum; ein Schutz der jetzt nicht mehr nötig ist.“
Ihre Landlust lebt Anna Roxenholt im Video von Mirror aus:
httpv://www.youtube.com/watch?v=81izk69ZGjo