Hingehört: Night Beds – „Country Sleep“

Viele der Songs auf "Country Sleep" sind nachts entstanden - das hört man.
Viele der Songs auf „Country Sleep“ sind nachts entstanden – das hört man.
Künstler Night Beds
Album Country Sleep
Label Dead Oceans
Erscheinungsjahr 2013
Bewertung  

Ein Geist ist nicht gerade die Instanz, von der man sich einen Tritt in den Hintern erwartet, einen Moment, in dem man den Kopf gewaschen und den Blick wieder gerade gerückt bekommt. Bei Winston Yellen ist aber vielleicht genau das passiert. Der Mann, der sich Night Beds nennt, war auf einem ziemlich verworrenen Weg ins Chaos. Bis er, vielleicht, vom Geist Johnny Cashs wieder in die Spur gebracht wurde und daraufhin sein Debütalbum Country Sleep aufnahm.

Und das kam so: Winston Yellen zieht aus seiner Heimatstadt Colorado Springs nach Nashville, um dort zu studieren. Nebenher macht er ein bisschen Musik (als Night Beds hat er zwischen 2008 und 2011 schon drei EPs veröffentlicht), aber insgesamt läuft es nicht allzu rund für ihn. Das Studium schmeißt er, dann verliert er seinen Job und seine Freundin. Die Stadt, die ihm wenig Glück zu bringen scheint, verlässt er also und startet eine fünfmonatige Rundreise durch die USA. Bis ein Freund ihn ermahnt, „den Mist sein zu lassen und zurück nach Nashville zu kommen“, wie er sagt.

Dort bezieht er ein Haus etwas außerhalb der Stadt. Es ist dasselbe Haus, in dem früher Johnny Cash und June Carter gewohnt haben. Und dort beginnt schließlich die Arbeit an Country Sleep. Es ist ein stilvolles, zauberhaftes Debüt geworden, in dem jeder Song eine erstaunliche Entwicklung oder eine kleine Überraschung bereithält.

Der Beginn ist die pure Intensität: Faithful Heights besteht nur aus Gesang, 71 Sekunden lang, getragen von einer Emotionalität, wie sie auch Ryan Adams nicht eindringlicher hinbekommt. Viele der Songs entstanden “in destructive circumstances, and many varied attempts to sedate myself”, bekennt der Sänger.

Ramona setzt danach auf erstaunlichen Drive. Bass und Klavier spielen in einigen Passagen nur einen einzigen Ton, und das verleiht dem Lied viel Druck. Die Single Even If We Try führt sogar Streicher ins Feld und scheint einem Meer aus Tränen entgegen zu taumeln. “The name is tongue in cheek, but a lot of the music was developed at night, from listening to, or writing in my bed”, sagt Winston Yellen über den Albumtitel – und bei solchen Songs glaubt man ihm das sofort.

Borrowed Time ist lupenreiner Country, 22 hingegen überrascht mit einem angedeuteten Dancemusic-Beat (bei Johnny Cash hätte das wohl „Bomm-tschika-boom“ geheißen), Wanted You In August verbreitet Jazz-Atmosphäre. Der Rausschmeißer Tenn (in der Tat das zehnte Lied, aber kein Tippfehler, sondern die Abkürzung für Tennessee) schafft es, nur mit Gitarre und Gesang fünf Minuten lang spannend zu bleiben.

Im behutsamen Cherry Blossoms klingt die Stimme so verloren, dass sich die Instrumente scheinbar kaum wagen, hörbar zu sein. In Lost Springs, dem besten Lied auf Country Sleep, zählt Winston Yellen auf, was er alles nicht fühlen will – doch da weiß man längst, was für ein empfindsamer Mensch hinter dieser zauberhaften Stimme stecken muss.

Heimspiel: Night Beds spielen 22 live in Colorado Springs:

httpv://www.youtube.com/watch?v=vpgSDqFZ5OM

Homepage von Nightbeds.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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