Künstler | Nikka Costa |
Album | Pro Whoa |
Label | Virgin |
Erscheinungsjahr | 2010 |
Bewertung | ** |
Wir müssen über Eklektizismus reden. Denn wenn in zwei Wochen im Februar 2011 (die Plattenfirma hat die weltweite Veröffentlichung verschoben, „nachdem sich zunehmend mehr Territorien der EMI Group für das neue Werk dieser Ausnahmekünstlerin begeistern) Pro Whoa, das neue Album von Nikka Costa erscheint, wird dieser Begriff (laut Fremdwörterbuch eine „unoriginelle, unschöpferische geistige Arbeitsweise, bei der Ideen anderer übernommen oder zu einem System zusammengetragen werden“) in fast jeder Besprechung auftauchen. Das ist auch erst einmal nicht schlimm. Wie viel man aus Eklektizismus als Prinzip machen kann, hat beispielsweise Beck bewiesen, der daraus eine ganze Karriere gebaut hat. Auch kleinere Kaliber wie die Beta Band oder Bran Van 3000 haben tolle Platten gemacht, die vor Einflüssen, Zitaten und Stilen nur so wimmelten. Unlängst haben Klaxons oder Vampire Weekend diese Tradition mit faszinierenden Ergebnissen fortgesetzt.
Eklektizismus kann aber auch bedeuten: Alles Mögliche einfach wild zusammengewürfelt. Kein Mensch käme beispielsweise auf die Idee, einen Roman aufregend oder gar gut zu finden, der einfach nur wahllos aneinander gereihte Buchstaben, Wörter oder Sätze enthält. Und genau diese Methode wendet Nikka Costa nun auf Pro Whoa an. „Ich wollte mich einfach mal richtig gehen lassen“, sagt die Patentochter von Frank Sinatra dazu.
Das Ergebnis: Das Album klingt im besten Fall wie Pink ohne Wut im Bauch, über weite Strecken wie Britney Spears, wenn die nach einem Pro-Tools-Grundkurs plötzlich versuchen würde, ihre eigenen Songs zu schreiben, und in den schlimmsten Momenten wie Vanilla Ice, falls der jemals durch einen bizarren Unfall seine Genitalien verlieren sollte und dann als Therapie versuchen würde, ein Popalbum zu machen, das all die coolen Leute in New York beeindrucken soll.
Der Auftakt ist dabei noch ganz ordentlich. Der Titelsong ist so etwas wie moderner Garagenrock, Never Wanna C U Again recht kompetenter Neo-Soul. Aber die Garage aus Pro Whoa steht allenfalls bei Second Life, und der Soul von Never Wanna C U Again hat von Marvin Gaye oder Aretha Franklin noch nie etwas gehört und kennt auch Amy Winehouse allenfalls im Singstar-Sound. Danach ist Head First zwar musikalisch völlig belanglos, aber immerhin sehr sexy gesungen.
Doch dann, als man irgendwann so etwas wie einen Charakter entdecken möchte, kommt nur noch Durcheinander. Nylons In A Rip: als hätten Tatu beschlossen, eine Red-Hot-Chili-Peppers-Coverband gegründet. Not The Only One: auf genau die Weise penetrant, die von Radiomachern oft als „eingängig“ missverstanden wird. Everybody Loves You When You’re Dead: eine dämliche Michael-Jackson-Hommage und kein bisschen besser als die schlimmsten Eurodance-Verbrechen. Stuff: so nichtssagend, dass womöglich sogar Dieter Bohlen den Song als „zu beliebig“ abgelehnt hätte. Song For Stadiums: die Entdeckung von Auto-Tune durch David Hasselhoff. Radio: aus dem Mülleimer der Sugababes.
Nur eine Ausnahme gibt es: Ching Ching Ching geht zwar am Ende ein wenig die Luft aus, doch das Lied ist ein Hit – die Sorte Song, die man auf dem kommenden Album der Ting Tings hören möchte. Doch unterm Strich ist Pro Whoa eine komplette Katastrophe. Kein Wunder, dass es der Musikindustrie so schlecht geht, wenn es noch immer Alben von Musikern wie Nikka Costa gibt, die über so überschaubares Talent und so wenig Fokus verfügen – und absolut nichts zu sagen haben.
Der einzige Treffer: Die Vorab-Single Ching Ching Ching lässt an die, ähm, Ting Tings denken:
httpv://www.youtube.com/watch?v=ZkSZ5dbeiZ4
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