Künstler | No Joy | |
Album | Ghost Blonde | |
Label | Mexican Summer | |
Erscheinungsjahr | 2011 | |
Bewertung |
No Joy haben ein ziemlich klares Prinzip: Sie führen Dinge zusammen, die nicht zusammen gehören. Jedenfalls nicht auf den ersten Blick.
Montreal und Los Angeles zum Beispiel sollten wirklich nicht zusammen passen. Ersteres verbindet man mit Eishockey und den seltsamen Uniformen im Kleiderschrank von Arcade Fire. Letzteres steht für Rollschuhlaufen und, ähm, die mondäne Glitzerwelt sämtlicher Kinostars dieser Welt. Aber aus diesen beiden Städten kommen Laura Lloyd (die kanadische Fraktion) und Jasamine White-Gluz (die kalifornische Fraktion), die beiden Mitglieder von No Joy. Zusammengefunden haben sie angeblich über eine Dating-Website.
Dass sie einigermaßen großartig aussehen, passt auch zum Grundprinzip. Denn beim Bandnamen „No Joy“ denkt man sicherlich nicht zuerst an attraktive Blondinen mit Gitarren in der Hand, in deren Videos sich nackte junge Menschen mit Schlamm einschmieren. Vor allem aber praktiziert das Duo die Zusammenführung des Unvereinbaren in seiner Musik: Die ist heavy und trotzdem zerbrechlich. „Twee with balls“, fasst der Guardian diesen Sound in nur drei Worten gekonnt zusammen.
“They use their guitars to create an evanescent wall of noise while their ethereally doleful vocals leave a vapour trail”, lautet die etwas ausführlichere Umschreibung. In der Tat ist es vor allem die Wucht der Gitarren, die ihr Debütalbum Ghost Blonde definiert. Sieben der zehn Stücke beginnen mit Feedback, und auch danach herrscht ein sechssaitiger Lärm, der alles andere verdrängt und einschüchtert. Auch der Gesang ist auf Ghost Blonde durchweg versteckt im Hintergrund.
Trotzdem schaffen es die Stücke, eine große, schwer zu definierende Sehnsucht zu vermitteln. „Who’s gonna love me when I’m dead“, heißt beispielsweise die zentrale Frage in Indigo Girl – und diese bange Ängstlichkeit kollidiert äußerst reizvoll mit der rohen Ästhetik der Musik, die hier zu großen Teilen aus seelenvollen Verstärker-Störgeräuschen besteht.
Ansonsten dominiert hier Shoegaze, mal dank hübscher Melodie in der Nähe von Blondie oder den Long Blondes (ob es da einen Bezug zum Albumtitel gibt?) wie im Opener Mediumship, mal mit Referenzen an die Aggressivität von Elastica (Heedless), gelegentlich auch nahe an Punk wie in der Single Hawaii. Ganz am Schluss lässt der Titeltrack sogar an die frühen Demos von Oasis denken: ein Baggy-Beat, viel zu viele Gitarren und deutlich zu wenig Ideen für sechseinhalb Minuten – so ähnlich klangen auch die ersten Gehversuche der Gallaghers.
Das alles ist durchaus faszinierend, aber nicht durchweg packend. Vor allem liegt das am Sound. „We were recording in our space and it was sounding like shit, so we had the idea of someone helping to clean it up a little bit”, gestehen No Joy sogar selbst diese Unzulänglichkeit ein. Das Mixing von Ghost Blonde übernahm deshalb Sune Rose Wagner von den Raveonettes, doch allzu viel konnte sie offensichtlich auch nicht mehr retten.
Das trübt den Spaß an No Joy dann auf Dauer doch erheblich und ist vor allem ärgerlich, wenn man die famos Debütsingle No Summer (die auf Ghost Blonde nicht vertreten ist) zum Maßstab genommen hatte, oder die Lobeshymnen nach den ersten Konzerten des Duos. “Dude, No Joy is the best band ever. Two hot blonde girls just shredding away. Sooooo amazing”, meinte etwa Bethany Cosentino (Best Coast) nach einem Auftritt. Um zu dieser Einschätzung zu kommen, muss man No Joy dann wohl live erleben.
Kein Spaß? Das trifft auf jeden Fall nicht auf die Dreharbeiten für das freizügige Video von Hawaii zu:
httpv://www.youtube.com/watch?v=4ai7SIF7oD8