OMD – „History Of Modern“

Künstler OMD

Quasi die gesamte Karriere von OMD unterm Brennglas zeigt "History Of Modern".
Quasi die gesamte Karriere von OMD unterm Brennglas zeigt „History Of Modern“.
Album History Of Modern
Label Bluenoise
Erscheinungsjahr 2010
Bewertung

Wenn längst vergessene Helden zurückkehren, auch noch solche aus den 1980er Jahren, dann gibt es nur selten ungeteilte Begeisterung. Doch bei OMD, die nun ihr erstes Album seit 14 Jahren veröffentlicht haben, ist das so.

Als Andy McCluskey und Paul Humphreys vor fünf Jahren ankündigten, künftig wieder gemeinsam musizieren zu wollen, zauberte das manchem Pop-Fan ein seliges Lächeln aufs Gesicht, der einmal dem OMD-Charme erlegen war. McCluskey hat diesen Effekt einmal sehr treffend als die Fähigkeit bezeichnet, „Melodien zu schreiben, die die Leute, wenn sie sie morgens im Radio gehört haben, noch an der Bushaltestelle pfeifen“. Als sie 2007 erstmals wieder gemeinsam auf der Bühne standen, gab es viel Applaus.

Nun liegt auch das lange erwartete Album zum Comeback vor. Und History Of Modern liefert gleich noch einen Grund für den Jubel über die Rückkehr: OMD sind eigentlich ganz viele Bands in einer. Und die Indie-Jünger aus den Anfangstagen haben beim Namen OMD wohl ähnlich nostalgische Gefühle wie die Eurodance-Afficionados oder die flüchtigen Fans, die bloß ein paar der Hits aus dem Radio kennen. Die neue CD schafft das Kunststück, diese gesamte Palette abzudecken und quasi jede einzelne Phase in der Karriere der Orchestral Manoeuvres In The Dark nachzuzeichnen – und zwar mit Absicht, wie Sänger Andy McCluskey im Interview verrät: «Als wir mit History Of Modern angefangen haben, wollten wir den definitiven OMD-Sound hinbekommen, und den haben wir auf unseren ersten vier Alben geschaffen. Das war der Bezugspunkt, aber zugleich sollte es modern bleiben. Wir wollten keine nostalgische Retro-Platte machen.»

Zum Auftakt bringt New Babies: New Toys mit seiner fiesen Gitarre, dem mächtigen Bass und der verzerrten Gitarre sehr eindrucksvoll in Erinnerung, dass diese Band ihre erste Single auf dem legendären Factory-Label veröffentlicht hat, das damals auch die Heimat etwa von Joy Division war. Zudem klingt der Song fast unfassbar modern – fast könnte man New Babies: New Toys für ein Stück von The Big Pink halten.

Es folgte für die Liverpooler der Durchbruch mit höchst erfolgreichem Radiopop. Songs wie die Single If You Want It oder Sister Mary Says, das eine Opernstimme mit der patentierten OMD-Eingängigkeit verbindet, dürften auch heute noch die Radiomacher glücklich machen. Mit Dazzle Strips wagten sich OMD dann 1983 in eher experimentelle Gefilde. Dem entspricht nun das faszinierende New Holy Ground, dessen Rhythmus auf dem Geräusch von Schritten basiert, und das auch sonst so wenig Instrumente braucht, dass man leicht versteht, warum sich auch gefeierte Jungspunde wie The XX gerne auf OMD berufen.

Danach richtete die Band ihren Blick wieder streng auf die Charts und war ab Mitte der 1980er Jahre auch in den USA erfolgreich. Dieses Kunststück könnten etwa History Of Modern (Part 1) wiederholen, das ein wenig wie die Killers klingt (ebenfalls bekennende OMD-Fans), oder auch Sometimes, das mit seiner Kombination aus Beat und Frauenstimme von Moby stammen könnte (der einmal einen Remix für OMD gemacht hat).

Nachdem sich McCluskey und Humphreys dann 1989 getrennt hatten, machte Ersterer alleine als OMD weiter und lieferte weiter verlässliche Hits. RFWK ahmt nun diesen Sound nach. Als dann 1996 das endgültige Aus für OMD kam, schrieb McCluskey Lieder für andere Leute. So stammt etwa der Atomic-Kitten-Hit Whole Again aus seiner Feder – und die Tätigkeit als Fließbandproduzent hört man den schwächeren Stücken wie Green oder The Future, The Past And Forever After leider deutlich an.

History Of Modern teilt somit auch einige der Probleme der gesamten Karriere von OMD. Ständig war die Band zerrissen zwischen ihren elektronischen, experimentellen Wurzeln und der Anbiederung an den Massengeschmack. Dass sich OMD gerne auf Kraftwerk und Brian Eno berufen, dass man sie heute aber auch mit Schmalzpoppern wie Spandau Ballet in einen Topf wirft – dieses Dilemma begleitet sie auch diesmal. History Of Modern hat hoch spannende, sehr moderne Momente, und schafft es ganz am Ende mit The Right Side? sogar, den ultimativen OMD-Sound gekonnt ins 21. Jahrhundert zu transferieren. Aber es gibt eben auch eine Reihe von Ausfällen. Nicht zuletzt haben sich OMD auch nicht von ihrer Neigung zum Prätentiösen befreit: Album- und Songtitel sowie das abstrakte Plattencover sind nur zwei Beispiel dafür. Aber so ist das eben manchmal, wenn vergessene Helden zurückkehren: Sie bringen auch ihre Sorgen mit.

Noch mehr Ballett, aber ohne Spandau: Das Video zur Single If You Want It:

httpv://www.youtube.com/watch?v=6sDPEJpjmq8

OMD bei MySpace.

Diese Rezension gibt es auch bei news.de.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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3 Gedanken zu “OMD – „History Of Modern“

  1. Ich bin grad auf den Artikel gestoßen und muss dir völlig zustimmen.

    Man hört leider bei dem einen oder anderen, dass OMD nicht dazu in der Lage sind, ein Album zu veröffentlichen, auf dem es keine schwachen Songs gibt. Glücklicherweise ist die Anzahl starker Songs trotzdem so hoch, dass es ein starkes Album ist.

    Mein Lieblingslied des Albums nach mehr als einem Jahr: „New Holy Ground“ – es zeichnet am besten das auf, was OMD darstellen. Die düsteren Denker, die mit allerlei Unrat Musik machen können.

    Meine Rezension steht übrigens hier:
    http://www.henning-uhle.eu/musik/history-of-modern-das-omd-comeback-album-ist-veroffentlicht

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