Künstler | Outkast | |
Album | Speakerboxxx/The Love Below | |
Label | Arista | |
Erscheinungsjahr | 2003 | |
Bewertung |
Zunächst mal die Fakten: Speakerboxxx/The Love Below ist eigentlich gar kein Doppelalbum, sondern zwei Soloalben. Andre 3000 hatte The Love Below ursprünglich als sein eigenes Werk rausbringen wollen, die Plattenfirma war dagegen und schlug vor, Big Boi sollte doch einfach auch etwas beisteuern.
Als der dann Speakerboxxx im Kasten hatte, war Andre noch immer nicht mit The Love Below fertig (unter anderem kam in letzter Minute noch ein gewisses Stück namens Hey Ya! dazu), so dass Big Boi nun wiederum seine Platte solo rausbringen wollte. Schließlich waren beide Alben fertig, das Ganze erschien doch als neues Outkast-Werk, schlug ein wie eine Bombe, bekam achtfach Platin und den Grammy als Album des Jahres.
Die Trennung ist allerdings längst nicht so streng, wie diese komplizierte Entstehungsgeschichte vermuten lässt: Andre Benjamin hat an fünf der Speakerboxxx-Songs mitgeschrieben, Big Boi auch bei einem The Love Below-Stück mitgearbeitet. Von der doppeltes-Soloalbum-Konstruktion sollte man sich keineswegs täuschen lassen: Hier steht nicht bloß Outkast drauf, hier steckt auch Outkast drin. Und das bedeutet: Dem Irrsinn und Spaß sind keine Grenzen gesetzt.
Wenn man Speakerboxxx/The Love Below genau hört, bemerkt man, dass erstaunlich wenig gerappt wird. So ist der Opener Ghetto Musick eher eine Art Elektro-Scat, durchsetzt mit einem Sample von Patti LaBelle. Es folgen Unhappy (ein verdammt smoothes Soul-Irgendwas), Bowtie (bläsergestützter Sly-Stone-Funk) und The Way You Move (Santana auf Viagra und Dope).
Spätestens bei The Rooster gehen einem dann die Genres aus. Steel-Drums sind da zu hören, Bläser, das Kikeriki eines Hahns – und aus all dem entwickelt sich nicht bloß ein Groove, sondern ein Sog. Auf Bust wird dann schlicht gerockt, samt Gitarren und echten Drums. Wie Gospel klingen würde, wenn George Clinton ihn macht, lässt Church ahnen, samt Slap-Bass und Cemballo.
Das unverschämt sanfte Reset besticht mit feinem Orgel-Hook und betörenden Harmonies von Khujo Goodie, Cee-Lo und Debra Killings. Last Call ist zum Abschluss von Teil 1 schließlich ein Kracher mit Killer-Chorus.
Allerdings kann derlei Experimentierfreude auch mal tüchtig daneben gehen. So ist der düstere Break-Beat-Minimalismus von Tomb Of The Boom sehr schnell nervig. Auch Flip Flop Rock, eine Zusammenarbeit mit Killer Mike und Jay-Z, erfüllt die Erwartungen nicht, die solche Mitstreiter (und so ein Titel) wecken.
Vor solchen Fehlgriffen ist natürlich auch Andre 3000 nicht gefeit. Die Raps auf Happy Valentine’s Day tragen das ansonsten sehr reduzierte Stück nicht richtig. Spread ist auch eher hektisch als packend, She’s Alive einfach langweilig.
Allerdings frappiert auch er auf The Love Below mit enormer Vielfalt und gelegentlicher Abseitigkeit. Love Hater ist eher Swing als Rap. Als lupenreinen Pop könnte man das famos schwingende Roses und das unverschämt kuschelige Prototype bezeichnen. Immerhin enorm fantasievoll und innovativ sind Pink And Blue und Dracula’s Wedding (mit Kelis).
Über Hey Ya! muss man nicht mehr viel sagen: ein Monster von einem Song, groovy, catchy und clever. Take Off Your Cool gerät schließlich auch dank der Stimme von Norah Jones zu einem verführerischem Mix aus Jazzbar und Turntable.
Man muss angesichts solcher Songs und solchen Forscherdrangs jetzt nicht behaupten, dass Big Boi und Andre 3000 die Lennon/McCartney des HipHops sind (da stand schließlich auch immer „Lennon/McCartney“ drunter, egal, wer von beiden den Song geschrieben hatte). Aber wie schon auf dem Vorgänger Stankonia nutzen Outkast den HipHop lediglich als Rahmen, um ihre musikalischen Vorlieben zu frönen und ihre abseitigen Ideen auszuleben – und reihen sich damit in die schöne Tradition der Beastie Boys oder von De La Soul ein.
Genial: Chris Rock macht aus Hey Ya! einfach Crackers. Und damit sind keine Kekse gemeint:
httpv://www.youtube.com/watch?v=s39yYPzktoE
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