Künstler*in | Paul McCartney | |
Album | Chaos And Creation In The Backyard | |
Label | EMI | |
Erscheinungsjahr | 2005 | |
Bewertung |
Das muss man erst einmal bringen: Dem Mann, der Hey Jude und Helter Skelter geschrieben hat, ins Gesicht zu sagen, dass ein neuer Song „scheiße“ ist, erfordert durchaus eine Portion Mut. Nigel Godrich wagte es. Und wenn man Paul McCartney glauben darf, brachten die Widerworte des Produzenten ein besseres Ergebnis, weil sie für ihn Ansporn waren. Chaos And Creation In The Backyard, Sir Pauls 20. Studioalbum seit dem Ende der Beatles, habe davon profitiert.
Die Paarung ist wirklich reizvoll: Auf der einen Seite Godrich, der Trendsetter und Pionier, der sich vor allem als Produzent von Radiohead einen Ruf gemacht hat als Mann mit Sinn für Tiefgang und Abseitiges. Auf der anderen Seite der ewige Paule, der schon zu Zeiten der Fab Four (wenn auch zu Unrecht) immer das Naive, Unschuldige und Oberflächliche an den Beatles verkörperte.
Will man das Aufeinandertreffen als Kampf auslegen, dann hat Paul ihn gewonnen. Der 63-Jährige spielte fast alle Instrumente selbst, ließ sich dabei auf ein paar Experimente ein (die Klaviertöne von How Kind Of You klingen wie ein Windspiel, über dem hypnotischen At The Mercy liegt ein dunkler Schleier), aber er ließ sich nicht verbiegen oder gar neu erfinden.
Das muss er auch nicht. Denn wie man einen guten Song schreibt, hat der Ex-Beatle natürlich nicht verlernt. Und die ansteigende Form, die er zuletzt mit Flaming Pie und Driving Rain zeigte, bestätigt er hier. Chaos And Creation In The Backyard ist dem Macca-Katalog würdig.
Es gibt sogar manche Stücke, die zum besten zählen, was McCartney in den vergangenen 30 Jahren hervorgebracht hat. Fine Line zum Beispiel, der schwungvolle Auftakt mit einem unsagbar eleganten Break. English Tea mit seiner opulenten Melodie und einem fantasievollen Streicher-Arrangement in bester Beatles-Tradition. Das komplexe Promise To Your Girl, bei dem Jeff Lynne seine Finger im Spiel zu haben scheint. Und vor allem: Jenny Wren, die definitiv ein Haustier hat, das Blackbird heißt.
Allerdings gibt es zu Beginn der zweiten Hälfte auch einen recht langwierigen Durchhänger. Da hat Macca dann Linda oder Heather im Kopf und ergeht sich wieder einmal in Erbauungslyrik. Natürlich ist es süß, wenn sich der 1,1-Milliarden-Euro-Paul noch immer der Kraft der Liebe ausliefert und hingibt, an die er wirklich glaubt. Aber es bringt gelegentliche musikalische Resultate, die langweilig und seicht sind wie die Lounge-Musik von A Certain Softness oder das nichtssagende Riding To Vanity Fair mit seinem Pseudo-Tiefgang.
Paul ist glücklich dabei, und das sei ihm gegönnt. Er lässt sich beim Glastonbury-Festival und beim Superbowl-Finale feiern und wird das Image des gut gelaunten Schwiegersohns mit ins Grab nehmen. McCartney weiß eben, dass er ein Mann ist, der niemandem mehr etwas beweisen muss. Auch nicht Nigel Godrich.
Sagt man zu so etwas noch unplugged? Der Clip zum bezaubernden Jenny Wren:
httpv://www.youtube.com/watch?v=36dtjxUMWdM
5 Gedanken zu “Paul McCartney – „Chaos And Creation In The Backyard“”