Künstler | Peter Broderick | |
Album | How They Are | |
Label | Bella Union | |
Erscheinungsjahr | 2010 | |
Bewertung |
Wenn Zufall und medizinische Notwendigkeit aufeinander treffen, dann kommt manchmal tolle Musik dabei heraus. Noel Gallagher fing bekanntlich mit dem Songschreiben an, weil ihm langweilig war, als er nach einem Arbeitsunfall mit einem Gipsfuß außer Gefecht gesetzt war.
Bob Dylan wäre ohne seinen mysteriösen Motorradunfall und der daraus folgenden Tatsache, dass er sich konsequent zurückzog, womöglich am Ruhm zerbrochen. „Details über Dylans Motorradunfall am 29. Juli 1966 waren nicht leicht zu erfahren. Immer wieder war zu lesen, Dylan habe beinahe sein Leben verloren. Es scheint wahrscheinlicher, dass dieser Unfall sein Leben rettete“, behauptet Dylan-Biograph Robert Shelton sogar.
Mit How They Are ist auch Peter Broderick zu einem Beweis für dieses Phänomen geworden. Der Multiinstrumentalist aus Oregon, am bekanntesten für seine Arbeit mit Efterklang, wollte nach dem umjubelten Album Home eigentlich im Jahr 2010 ein grandioses, pompöses Meisterwerk folgen lassen. Doch dann legte ihn eine Knie-OP lahm. Das Monster-Album will Peter Broderick zwar nach wie vor machen. Doch zunächst war er ans Bett gefesselt, was ihn zu einer ganz neuen Arbeitsweise und schließlich zum Mini-Album How They Are führte.
“I started making compositions on the computer screen with words instead of sounds. And with my musical brain I immediately imagined all of these little stories and poems being turned into songs. I would sing or speak the words into my voice recorder and imagine them being turned into pieces of music with an orchestra underneath, or just a guitar, or just the voice alone”, erklärt er das Muster, nach denen die sieben Lieder entstanden sind. Sein Motto war: “No tricks, no electronics, just me doing what I can do at once with my voice and an instrument or two, however pathetic or beautiful that might be.”
Die so entstandenen Demos nahm Peter Broderick schließlich an einem einzigen Tag im Studio in Portland auf. Das Ergebnis ist eine Platte, die sich wunderbar eignen wird, um Weinetiketten zu entwerfen, eine Galerie umzudekorieren oder im Manufactum-Katalog zu blättern. Denn How They Are ist ebenso geschmackvoll wie elegant.
Sideline, der Auftakt des Albums, beginnt nur mit Gesang. Erst nach 91 Sekunden erklingt ein Klavier, und auch das spielt nur einzelne, verklingende Akkorde. Human Eyeballs On Toast lebt dann (trotz des Horror-Titels) von Brodericks schmeichelnder Stimme, die an Art Garfunkel denken lässt und hier nur flüstert.
In Guilt’s Tune wird gar nicht mehr gesungen, sondern bloß gesprochen – und auch die hier erstmals eingesetzte E-Gitarre nimmt dem Lied nicht seine Zurückhaltung. Durch With A Key zieht ein selbstvergessenes Klavier, das von Nick Drake zu träumen scheint. When I’m Out und Pulling The Rain sind gleich reine Instrumentals.
Den Abschluss bildet Hello To Nils (gemeint ist wohl Nils Frahm, den Peter Broderick als Produzent für sein nächstes Album ins Auge gefasst hat), das einzige Stück ohne Piano. Auch hier wird die Reduktion bis zum Äußersten getrieben: Peter Broderick barmt über eine dezente E-Gitarre, dann herrscht nach gut drei Minuten plötzlich Schweigen. Zehn Sekunden lang, bevor das Lied weitergeht und How They Are zum Ende bringt, bevor man überhaupt bemerkt hat, dass es angefangen hat. So klingt Musik, die im Verschwinden begriffen ist.
Weniger Musik geht nicht, um noch Musik zu bleiben: Peter Broderick nimmt Hello To Nils auf:
httpv://www.youtube.com/watch?v=OAmBKtFUbAU