Künstler | PiL | |
Album | This Is PiL | |
Label | PiL Official | |
Erscheinungsjahr | 2012 | |
Bewertung |
„This is PiL“, ruft John Lydon. Er presst diesen Satz heraus aus den tiefsten Tiefen seines Herzens, wie ein eine Ehefrau, die ihren betrunkenen Mann endlich rausschmeißt und ihm all ihre Verbitterung hinterher schreit, bis er endlich um die Ecke getorkelt und für immer aus ihrem Blickfeld verschwunden ist. Lydon schreit diesen Satz immer wieder am Beginn dieses Albums, gut dreieinhalb Minuten lang. Und man muss sich fragen: Warum?
Befürchtet der ehemalige Sänger der Sex Pistols, der Public Image Ltd im Jahr 1978 gegründet und dann über Jahrzehnte hinweg zu einer der unberechenbarsten Bands der englischen Musikszene gemacht hat, die Fans könnten PiL vergessen haben? Schließlich ist This Is PiL das erste Album seit 20 Jahren. Oder meint er es als etwas plumpe Informationsvermittlung für all die Festivalbesucher, die PiL vielleicht bei einem ihrer zahlreichen Gigs in den vergangenen Jahren (seit 2009 spielt die Band wieder live) eher zufällig erlebt haben und gar nicht wussten, wen sie da vor sich hatten?
Beide Vermutungen erweisen sich als falsch, wenn man sich etwas näher mit This Is PiL beschäftigt. In erster Linie geht es hier nach wie vor darum, auf möglichst hohem Energie-Level mit Konventionen zu brechen. Das gilt uneingeschränkt für das neue Lineup von PiL, neben John Lydon bestehend aus Gitarrist Lu Edmonds (ehemals The Damned), Schlagzeuger Bruce Smith (ehemals The Slits), Bassist Scott Firth (hat unter anderem für Elvis Costello gespielt und für Steve Winwood, in dessen Studio This Is PiL auch aufgenommen wurde). Alles auf dieser Platte klingt akut, biestig, gefährlich.
Die Single One Drop setzt auf Dub-Einflüsse und Quasi-Sprechgesang, was an die Happy Mondays denken lässt. Deeper Water ist hypnotisch, spannend und intensiv, wie The Clash in einer noch etwas schrägeren Ausgabe. Es gibt gute Grooves wie den von I Must Be Dreaming, brodelnde Songs wie Terra-Gate, feine Slogans wie in Human („If these are your leaders / then they are good enough for you“), Psychedelisches wie den Reggie Song und abstraktes Material wie I Said That.
Würde man The Prodigy zwingen, echte Instrumente zu spielen, könnte so etwas dabei heraus kommen wie die Lollipop Opera. Spinnert und monoton wie die besten Momente der Talking Heads gerät Out Of The Woods, der fast zehnminütige Rausschmeißer.
The Room I Am In enthält nur ein paar sanfte Gitarrentöne, darüber spricht John Lydon ein chaotisches Gedicht, als habe er sich selbst gesamplet und würde jetzt bloß noch zufällige Tasten drücken, die dann zufällig angeordnete Worte erklingen lassen. Auch Fool kann man mit einigem Recht eine Ballade nennen, schließlich scheint der Liebeskummer hier in jeder einzelnen Zelle zu stecken.
In den ruhigeren Momenten fällt am meisten auf, dass PiL – ebenso wie einst die Sex Pistols – den Willen haben, unbedingt anders zu sein, und dass die Stärke ihrer Songs gerade in der Reduktion begründet ist. Doch im Gegensatz zu den Drei-Akkorde-Strukturen der Punk-Ikonen hat sich bei PiL eine erstaunliche Musikalität etabliert, die wunderbar kontrastiert mit der Stimme von John Lydon, die noch immer klingt, als habe sie sich gerade von einer Brücke gestürzt. Letztlich macht das Album dann auch klar, was hinter dem Kampfschrei „This is PiL“ steckt: Es ist eine Warnung, dass man es hier nach wie vor mit etwas sehr Speziellem zu tun hat – und der Beleg dafür, dass John Lydon auch nach einem knapp halben Jahrhundert als Musiker nichts von seiner Wut verloren hat.
Sehr schräg und sehr englisch kommen PiL auch im Video zu One Drop rüber:
httpv://www.youtube.com/watch?v=tHYUGBq5JsQ
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