Prinz Pi – „Kompass ohne Norden“

Künstler Prinz Pi

Eine Jugend ohne Richtung ist das Thema auf "Kompass ohne Norden".
Eine Jugend ohne Richtung ist das Thema auf „Kompass ohne Norden“.
Album Kompass ohne Norden
Label Keine Liebe Records
Erscheinungsjahr 2013
Bewertung

Das Land liebt Prinz Pi. Die Süddeutsche erkennt in ihm „einen der besten Rapper Deutschlands“. Für Spiegel Online ist er der „bürgerliche Außenseiter im prolligen Mainstream des deutschen HipHop“. Ich kapiere nicht, was die meinen. Ich verstehe es einfach nicht. Erst dachte ich, es liegt daran, dass ich zu alt bin. Aber dann ist mir aufgefallen: Ich kapiere Kraftklub, ich kapiere Cro, ich kapiere sogar Justin F###n Bieber. Es muss einen anderen Grund geben. Und dieser Grund heißt: Prinz Pi ist einfach schlecht.

Seine Raps sind von ärgerlicher Eintönigkeit (der Gast-Rap von Casper in 100X liefert in ein paar Strophen mehr Variationen als Prinz Pi auf dem gesamten Album), seine Reime sind eine Katastrophe. Warum die Feuilletons trotzdem auf Prinz Pi abfahren, ist nicht allzu schwer zu erkennen: Das wichtigste Wort auf Kompass ohne Norden heißt „wir“. Mit diesem „wir“ ist manchmal die Clique gemeint, meist aber eine noch größere Gruppe, nämlich ungefähr die Gesamtheit aller Menschen zwischen 15 und 27. Fast jeder Track will das Sittenbild einer Generation sein, der Versuch einer Definition. Das ist natürlich ein gefundenes Fressen für alle, die sich am liebsten grüblerisch mit „den jungen Leuten heutzutage“ beschäftigen.

Und was macht diese Generation aus? Die Antworten von Prinz Pi könnten nicht erwartbarer sein, wenn er in Wirklichkeit MC Frank Schirrmacher hieße. Schulfrust und Facebook, Hormone und Komasaufen sind die Themen von Kompass ohne Norden. Das Leben wird hier nur noch medial vermittelt, Konsum ist so wichtig, dass in Kompass ohne Norden ähnlich viele Markennamen auftauchen wie in einem durchschnittlichen James-Bond-Film der jüngeren Vergangenheit. Heranwachsen ist verdammt schwierig, und danach wird es auch nicht besser, weiß man nach Asoziale Kontakte. Ein fest gefügtes Weltbild ist bestenfalls Selbsttäuschung und schlimmstenfalls verlogen, heißt die Botschaft von Säulen der Gesellschaft. Stattdessen regiert, immer wieder: Orientierungslosigkeit.

„Ich laufe schon so lange und ich weiß nicht, wohin“, heißt es gleich zu Beginn im passend betitelten Fähnchen im Wind, das die Sensationen und Frustrationen der Jugend besingt. „Wo das alles hinführt, weiß ich nicht“, ist das Fazit von Moderne Zeiten. „Der junge Mensch treibt“, lautet die Erkenntnis in Kompass ohne Norden. „Ich aber bin ein Nichts / ich suche meinen Sinn“, bekennt Prinz Pi in Säulen der Gesellschaft. „Was die Welt auch macht mit uns / sie gibt einen Fuck auf uns“, heißt es am Schluss der Platte in Unser Platz.

Das Thema der verwirrten Jugend ist nicht neu bei dem Mann, der sich früher „Prinz Porno“ nannte und Kompass ohne Norden als sein bereits 15. Album betrachtet. Ein früheres Werk von ihm hieß Teenage Mutant Horror Show, das letzte Album im Jahr 2011 trug den Titel Rebell ohne Grund. Wer darin eine Reminiszenz an Denn sie wissen nicht was sie tun (Originaltitel: Rebel Without A Cause) erkennt, liegt nicht falsch: Prinz Pi baut auf Kompass ohne Norden gerne Referenzen aus der Geschichte der Popkultur ein, von Bob Dylan und Jimi Hendrix über MacGyver und Zurück in die Zukunft bis hin zu eben James Dean. Auch das ist ein cleverer Köder für das Feuilleton.

Wer in seinen Themen allerdings Tiefgang und in den Zitaten etwas Weltmännisches erkennen will, der hat noch nie eine gute Deutschrap-Platte gehört. Im Vergleich zu meinetwegen Fettes Brot, Deichkind oder Samy Deluxe ist Kompass ohne Norden einfach bloß ein Witz. Erschreckend ist dabei vor allem, wie dumm diese Platte ist. Prinz Pi, der eigentlich Friedrich Kautz heißt und aus einer Berliner Beamtenfamilie stammt, hat zwar Abitur gemacht und studiert. Dass man einen Genitiv auch ohne das Wort „von“ bilden kann, hat er aber offensichtlich nicht gelernt. Dass die dritte Person Singular von „verschwimmen“ im Imperfekt richtig „verschwamm“ heißt und nicht „verschwomm“ (wie er es in 100X rappt) offensichtlich auch nicht.

Natürlich wären solche Hinweise Korinthenkackerei, wären sie nicht exemplarisch für den amateurhaften Umgang mit Sprache, der hier allgegenwärtig ist, und der im HipHop natürlich äußerst hinderlich ist. „Reim dich oder ich fress dich“ lautet bei Prinz Pi das Motto, und das führt zu mitunter schmerzhaft schlechten Texten. „Erst teilen wir Kippen, dann teilen wir Lippen“ (aus Unser Platz) ist da nur das schauerlichste Beispiel.

Frühstücksclub der toten Dichter handelt von der Hölle, die die Schule sein kann und klingt fast wie eine Parodie. Womöglich liegt das auch daran, dass Prinz Pi im Oktober 34 Jahre alt wird – und es entsprechend lächerlich wirkt, wenn er sich in die Kids von heute hineinversetzen will. „Ich schreibe normalerweise für jedes Album über mein jeweiliges Jahr und was mich in der Zeit bewegt hat“, hat Prinz Pi im Gespräch mit Spiegel Online gesagt, das aktuelle Album sei allerdings „der Abschluss meines ersten Lebensdrittels, da wird die Jugend noch mal durchgenudelt“.

Rost, das von der Globalisierung und dem Niedergang des Industriestandorts Deutschland erzählt, macht dafür die Manager ebenso verantwortlich wie die Gewerkschaften und die Geiz-ist-geil-Mentalität. Das mag zwar zutreffen, wird aber auf dem intellektuellen Niveau eines 13-Jährigen abgehandelt. Ende Blut, alles Blut scheint die Rückkehr von Oli P. ins Rap-Geschäft ermöglichen zu wollen.

Wundern muss man sich über solche Fehlleistungen auch, weil die Musik auf Kompass ohne Norden durchweg gelungen ist. Denkt man sich die Texte weg, sind diese Tracks gut und vielseitig. Das fast opulente Glück – bestes Lied dieses Albums – fährt beispielsweise ein American Pie-Intro, eine großspurige Gitarre, ein Break mit einer Spieluhr und am Ende auch noch ein Trompetensolo auf. Auch der Rausschmeißer Unser Platz präsentiert ein fast groteskes Missverhältnis zwischen dem Bombast der Musik und der Beschränktheit des Textes. Vielleicht sagt Prinz Pi ganz einfach deshalb so gerne „wir“ statt „ich“: Tief in seinem Innern ahnt er, dass er ganz alleine viel zu mickrig wäre.

Liebe lebt von Kleinigkeiten, sagt das Video zu Glück:

httpv://www.youtube.com/watch?v=gE94akXDtHM

Homepage von Prinz Pi.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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2 Gedanken zu “Prinz Pi – „Kompass ohne Norden“

  1. Ich persönlich finde, es ist jeden selbst überlassen was er hört oder nicht hört. Ich persönlich mag Prinz Pi sehr, seine Texte gefallen mir weil es doch ziemlich zutreffend ist. Laut deiner Kritik frage ich mich was für eine komische Teenagerzeit du hattest. Denn ich denke, vieles was Prinz Pi sagt trifft auf die meisten zu. Andernfalls wäre er nicht so erfolgreich. Im Gegenzug müsste ich sogar sagen Cro ist derjenige der von den Zeitungen und den Medien so hochgepusht wird obwohl er im Vergleich zu Casper, Fettes Brot oder Prinz Pi einfach nichts draufhat.

    Lg Dylan

  2. Auch wenn solche Themen allgemein Ansichtssache sind, so ist zumindest folgender Abschnitt höchst einseitig bis gezielt abwertend:

    „(…) exemplarisch für den amateurhaften Umgang mit Sprache, der hier allgegenwärtig ist, und der im HipHop natürlich äußerst hinderlich ist. „Reim dich oder ich fress dich“ lautet bei Prinz Pi das Motto, und das führt zu mitunter schmerzhaft schlechten Texten. „Erst teilen wir Kippen, dann teilen wir Lippen“ (aus Unser Platz) ist da nur das schauerlichste Beispiel.“

    -> Lächerlich! Hier wurden selektiv einzelne Zeilen instrumentalisiert.

    Prinz Pi’s Rap und „Sprache“ birgt meiner Meinung nach viel Kreativität und Einiges an Intellekt und hintergründiger Selbstironie – siehe z.B. „Dumm“, „iGod“, „Höhlenmensch“ etc…. Musikalisch ist Kompass ohne Norden für mich sein bisher bestes Album und die Texte sind zwar teils kompakter als früher, aber immer noch inspirierend und keines Falls „einfach fur schlecht“!

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