Künstler | Puder | |
Album | Puder | |
Label | Pussy Empire | |
Erscheinungsjahr | 2012 | |
Bewertung |
„Das ist es einfach“, stellte Catharina Boutari fest, als sie als Teenager in Gummersbach erstmals in einer Band spielte. Seitdem ist sie Musikerin durch und durch, sie lebt zusammen mit einem Musiker (Jan Rubach, ehemals bei Gamma Ray), sie ist eine Institution in der Musikszene ihrer Wahlheimat Hamburg und sie hat mit Pussy Empire ihre eigene Plattenfirma.
Umso erstaunlicher, dass die in Österreich geborene Halbägypterin so lange nichts mehr veröffentlicht hat. Aber es gibt gute Gründe für die Pause seit dem Erscheinen von Tanzschule Boutari (2008). Erstens hat Catharina Boutari ein Kind bekommen. Zweitens musste eine neue musikalische Gestalt her, die sie nun mit Puder gefunden hat. Drittens sind die Lieder auf dem gestern erschienenen Puder (dem, je nach Zählung, vierten Album von Catharina Boutari oder eben dem Debüt von Puder) nicht mehr taufrisch, sondern sie haben einen langwierigen Reifeprozess durchlaufen. Die ersten Stücke entstanden schon 2009, im folgenden Frühjahr fing die Hamburgerin an, die Songs auf der Bühne auszutesten. Als es dann im Juni 2011 mit Produzent Florian Sommer ins Hamburger Rekorder-Studio ging, lief alles wie am Schnürchen: Innerhalb von drei Wochen war Puder im Kasten.
Das Timing könnte kaum besser sein: Ina Müller hat nordischen Charme und schnoddrige Bodenständigkeit längst salonfähig gemacht. Boy (die ja immerhin zur Hälfte aus Hamburg kommen) heimsen für ihren meisterhaften Pop noch immer reichlich Lob und Preise ein. Und Frida Gold haben es sogar geschafft, hoch aktuellen Sound mit etwas Glamour und deutschen Texten weit nach oben in die Charts zu bringen.
Puder hat ein bisschen von alldem. Ein wenig gewagt ist es also schon, wenn Catharina Boutari im Titelsong singt „Ich gehe vor und ihr kommt nach.“ Von Trittbrettfahren kann bei Puder trotzdem keine Rede sein. Dafür ist das Album viel zu eigenständig, vielseitig und ausgereift. Statt „Popmusik mit lauten Gitarren“, wie Catharina Boutari ihren Sound einmal beschrieben hatte, gibt es deutlich mehr Hammondorgel und eine sehr konzentrierte, oft reduzierte Instrumentierung, die viel Raum lässt für die unfassbar zahlreichen Facetten der Stimme von Catharina Boutari.
Vieles ist tanzbar wie Click Clack, das auch gut zu Mia passen würde, und in dem der Hörer mit leichtem Fischkopp-Dialekt aufgefordert wird: „Schüddel deinen Kopf!“ Bis auf drei Ausnahmen gibt es bei allen Liedern feinen Chorgesang im Refrain. Vor allem aber ist Puder nicht bloß selbstbewusst, sondern forsch, manchmal sogar fordernd. Puder ist eine Platte, die Haare auf den Zähnen hat, im positiven Sinne.
Bessere Töchter beispielsweise ist eine Abrechnung mit sämtlichen Schubladen, die es so für das weibliche Geschlecht gibt. Dazu gibt es etwas, das man fast „Sprechgesang“ nennen kann, und Drums, die so komplex sind, als wollten sie die Unterforderung aus Click Clack mit seinem stoischen Trio-Beat kompensieren. Das energische Parolen zieht dann kurz vor Schluss auch dem Machismo den Zahn. Die Single Großstadtkonkubinen bleibt ganz beschaulich mit Akustikgitarre, hat aber auch gar kein Schaumschlagen nötig.
Meinen Kindern die Welt schafft es tatsächlich, funky zu klingen und auch noch Peter Fox’ Haus am See zu zitieren, obwohl es in dem Lied um Völkermord geht. Liebeslied ohne Namen ist beinahe acappella, das schmissige Straßenrand dürfte auch den Fans von Wir sind Helden gefallen.
Es gibt wenige Schwachpunkte. Das etwas beliebige Post vom Meer gehört dazu. Heyoh! vergisst leider, eine passende Form zu finden für all seinen Willen zur Agitation und all die angeordnete Ausgelassenheit. Doch selbst dann hat Puder immer noch viel zu viel Stilsicherheit und gelegentlich viel zu gewagte Passagen, um Schlagerverdacht aufkommen zu lassen. Fein.
Man darf sicher sein: Catharina Boutari mag das Leben in der Stadt. Auch wenn das Video zu Puders Großstadtkonkubinen anderes vermuten lässt.
httpv://www.youtube.com/watch?v=kLdk6qR6u6c