Hingehört: Rebekka Karijord – „The Noble Art Of Letting Go“

So klingt der Februar: "The Noble Art Of Letting Go" ist winterlich, hat aber Hoffnung.
So klingt der Februar: "The Noble Art Of Letting Go" ist winterlich, hat aber Hoffnung.
Künstler Rebekka Karijord
Album The Noble Art Of Letting Go
Label Lil Facit Records
Erscheinungsjahr 2009
Bewertung ***

Rebekka Karijord ist das, was man auch in Norwegen ein Wunderkind nennt. Ihre Hippie-Eltern zogen durch ganz Europa. Die kleine Rebekka lernte als Fünfjährige am nördlichsten Ende des Kontinents schon Klavier und Geige zu spielen. Mit 13 schrieb sie ihre ersten Songs, mit 17 hatte sie einen Plattenvertrag in der Tasche. Heute schreibt sie Stücke für internationale Filmproduktionen und Tanztheater in ganz Europa.

Und dazwischen macht sie Musik, die man nur traumhaft nennen kann. The Noble Art Of Letting Go, in Rebekka Karijords schwedischer Wahlheimat schon Ende 2009 erschienen und ab heute auch in Deutschland erhältlich, ist der perfekte Soundtrack für das Ende des Februars. Ihre Musik ist stets überlagert von einer winterlichen Schwermut, und trotzdem gibt es hier gelegentlich schon eine Ahnung von (und eine noch größere Sehnsucht nach) dem Frühling.

„I don’t know where this fear came from“, heißt die bezeichnende erste Zeile des Albums im verträumten Wear It Like A Crown (das man übrigens gerade hier kostenlos herunterladen kann), und auch danach geht es immer wieder um Verlust, Furcht, Verunsicherung. Im vergleichsweise beschwingten Parking Lot mit Streichern und einem luftigen Dance-Beat traut Karijord ihrem eigenen Draufgängertum nicht recht über den Weg. Im gespenstischen Dead On My Feet imitiert die Bassdrum einen Herzschlag, und man spürt förmlich, wie das Blut aus diesen verzweifelten Zeilen rinnt: „How do you grieve for someone still alive / someone coping, on the other side / someone whose voice you know even better than your own / someone who thinks you are made of stone.“

Das Faszinierendste an dieser Liedern, die stets vom Klavier getragen werden und mit Jazz, Chanson oder Filmmusik meist mehr zu tun haben als mit Pop, ist zweifellos Karijords Gesang. Man muss hier nicht die alten Klischees von den tiefen, reinen Bergseen des Nordens bemühen, und doch gibt es nur ein Wort, das dieser Stimme wirklich gerecht wird: kristallklar. Carole King klingt da an, Joni Mitchell, auch Alanis Morissette.

Das abstrakte Paperboy wird fast nur von ihrer Stimme (und der von Jennie Abrahamson im Hintergrund) zusammengehalten. Im Titelsong singt Karijord, nur vom Piano begleitet, quasi mit sich selbst im Duett – und die beiden Stimmen scheinen sich gegenseitig Trost zu spenden. Morning Light Forgives The Night, eine Zusammenarbeit mit Ane Brun, mit der sich Rebekka Karijord einen Probraum teil und mit der sie unlängst auf Tour war, ist dann noch reduzierter, beinahe a-capella.

Wenn Rebekka Karijord singt, dann fleht sie, ängstigt sich, trauert, flirtet, windet sich in erregenden Träumen. Niemals klingt sie, als ob sie einfach nur sie selbst ist, und doch ist diese Stimme ungeheuer authentisch.  „Someone naked of pretension“ erkannte Sarah Snavely von Dag För Dag, als sie Rebekka Karijord zum ersten Mal begegnete. Das trifft es.

Ich glaub, ich steh im Wald: Im Video zu Wear It Like A Crown scheint Rebekka Karijord auf der Suche nach ihrem jüngeren Ich zu sein:

httpv://www.youtube.com/watch?v=XuBJ0QQ4dak

Rebekka Karijord bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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