Künstler | Red Hot Chili Peppers | |
Album | I’m With You | |
Label | Warner | |
Erscheinungsjahr | 2011 | |
Bewertung |
Als die Red Hot Chili Peppers 1998 zum letzten Mal einen neuen Gitarristen bekamen, war das ein alter Bekannter. John Frusciante, der die Band 1992 verlassen hatte, kehrte für das Album Californication zurück – und läutete damit die bisher erfolgreichste Phase in der Karriere der Red Hot Chili Peppers ein, die mittlerweile auf sechs Grammys und 60 Millionen verkaufter Platten zurückblicken.
Nun haben die Red Hot Chili Peppers wieder einen neuen Gitarristen. Er heißt Josh Klinghoffer – und ist ebenfalls ein alter Bekannter. Er spielte schon auf den Solo-Alben von John Frusciante und stand auch bei der letzten Welttournee des Quartetts aus Los Angeles schon mit auf der Bühne. Für das gerade erschienene I’m With You ist er zum offiziellen Bandmitglied aufgestiegen – und läutet damit womöglich so etwas wie den dritten Frühling für die Red Hot Chili Peppers ein. Bei iTunes steht I’m With You in 16 verschiedenen Ländern bereits auf Platz 1.
Fahndet man auf dem neuen Album nach Spuren des Gitarristen, der nun immerhin 25 Prozent dieser Rock-Institution ausmacht, dann findet man zunächst: nichts. Der Bass von Flea (etwa im lässigen Annie Wants A Baby oder dem energetischen Goodbye Hooray) oder das Schlagzeug von Chad Smith (wie im komplexen Ethiopia oder dem ebenfalls afrikanisch angehauchten Did I Let You Know) sind durchweg weitaus prägnanter. Es gibt auf I’m With You keine markanten Riffs und keine filigranen Gitarrensoli. Nirgends setzt Josh Klinghoffer, der sich bisher in unbekannteren Bands wie Warpaint und als Studiomusiker verdingt hatte, eine Duftmarke. Niemals versucht er, die etablierten Stars der Show in den Schatten zu stellen.
Sein Einfluss auf das zehnte Studioalbum der Red Hot Chili Peppers ist trotzdem erstaunlich. Der Vorgänger Stadium Arcadium stieg in 28 Ländern auf Platz eins der Charts ein, bekam einen Grammy als bestes Rockalbum und wurde schließlich mit einer umfangreichen Tournee um die Welt getragen. Und dann? Wollten die Red Hot Chili Peppers erst einmal ihre Ruhe haben. Frusciante hatte sogar genug von der Band, und man trennte sich freundschaftlich. „He did it in a very gentlemanly way. He came and had a very calm and earnest conversation about him just wanting to do something else. And it was a great relief, because there was a certain amount of discord and tension that had built up from him not, you know, being where he wanted to be. And kind of vice versa. So it was a very kind gesture and it just worked out remarkably well“, sagt Sänger Anthony Kiedis über die Trennung.
Der zweite Abschied Frusciantes von den Chili Peppers hätte womöglich gar das Ende der Band bedeuten können. Doch nach zwei Jahren Auszeit bekamen die verbliebenen Drei wieder Lust auf ihre Musik. „Wir mussten ganz von vorne anfangen. Alles andere wäre komplett dämlich gewesen. Wir mussten also alles ein bisschen herunterfahren. Wir mussten uns vergewissern, wer wir sind, und uns dann an die Arbeit machen. Und zu so einem Schritt gezwungen zu sein – das ist eine großartige Sache“, erinnert sich Kiedis heute an die Zeit, als die Red Hot Chili Peppers auf der Kippe standen.
Klinghoffer hat einen beträchtlichen Anteil daran, dass man I’m With You diese neu gewonnene Lust auch anhört. „Wir haben unsere Einflüsse mit denen von Josh vermischt, und daraus ist etwas Wunderschönes entstanden. Es macht Spaß, ihm zuzuhören und seinen Stil kennen zu lernen. Ich habe versucht, mich dann damit zu verschmelzen, und daraus ist ein ganz neues Rezept für unseren Sound entstanden“, schwärmt Kiedis.
Schon der Auftakt Monarchy Of Roses ist ungewöhnlich mutig für diese Band, die zuletzt nicht nur zu den erfolgreichsten, sondern auch berechenbarsten Rockbands der Welt gezählt hatte. Der Song hatte den Arbeitstitel Disco Sabbath, und während der Refrain für den Disco-Anteil sorgt, steuert die Strophe mit verzerrtem Gesang und abstrakter Gitarre den (Black-)Sabbath-Anteil bei. Das famose Brendan’s Death Song (das den Tod von Brendan Mullen thematisiert, der die Biographie der Band geschrieben hat und zu Beginn der Aufnahmen für I’m With You starb) beginnt ganz akustisch und schwingt sich dann über einen ebenso betörenden wie glaubwürdigen Refrain auf. Die Single The Adventures Of Rain Dance Maggie ist so cool und sexy wie es die Rolling Stones während ihrer Tattoo You-Phase wohl gern gewesen wären. Und Even You Brutus? klingt unverschämt frisch und kernig für eine Band, die schon seit 28 Jahren im Geschäft ist. Gegen Ende lässt auch Meet Me At The Corner aufhorchen, der zurückgenommenste Song der Platte, mit federnden Drums, einem toll gesungenen, rührenden Refrain, einem etwas gespenstischem Break und einer famosen Gelassenheit, die über all dem schwebt.
Der beste Moment an I’m With You sind aber die Sekunden nach Goodbye Hooray. Da ist erst für ein paar Momente komplett Ruhe, dann beginnt das außergewöhnliche Happiness Loves Company. Es ist nicht nur eine schöne Metapher für die Entstehungsgeschichte dieser Platte. Es ist auch ein wichtiges Innehalten für dieses Album, das viele sehr gute Songs enthält, manchmal aber doch Gefahr läuft, sich längst bekanntem Funk-Rock-Fahrwasser ein bisschen zu stark zu nähern. Es gibt hier ein paar Phasen, in denen Anthony Kiedis ein bisschen zu sehr scharf phrasiert wie einst bei Give It Away, säuselt wie bei Under The Bridge oder den kraftstrotzenden Macho gibt wie bei den Californication-Singles. Nach zwei Dritteln des Albums (die Band wollte eigentlich ein Album mit nur 12 Stücken machen, hatte dann aber genug Material für eine Doppel-CD, berichtet Produzent Rick Rubin, der bei I’m With You wie bei allen RHCP-Alben seit Blood Sugar Sex Magik 1991 hinter den Reglern saß) hat man fast schon genug davon. Doch genau dann kommt Happiness Loves Company. Da erklingen tatsächlich ein Klavier, so etwas Ähnliches wie ein Country-Beat und ein verspielter Background-Gesang – das ist genau die Dosis Spannung, die dann auch den Rest der Platte erfreulich macht.
I’m With You klingt in jedem Moment so souverän, wie man es von Könnern dieses Kalibers erwarten darf, und in keiner Sekunde so satt, wie man es von kalifornischen Superstars, die sich ihr Albumcover von Kunst-Guru Damien Hirst entwerfen lassen können, befürchten musste. Es ist ein Album, das vielseitig ist, neue Türen öffnet und doch im genau richtigen Maße der Tradition der Band verpflichtet bleibt. Sind das jetzt die erwachsenen Red Hot Chili Peppers, wurde Anthony Kiedis kürzlich in einem Interview gefragt. Und seine Antwort ist genauso kreativ wie diese Platte. „Ich würde es nicht unbedingt erwachsen nennen. Ich hoffe, wir werden immer weiter wachsen – aber nicht zwangsläufig erwachsen.“
Im Video zur Single The Adventures Of Rain Dance Maggie muss man sich nicht so sehr an den neuen Gitarristen gewöhnen, sondern eher an der Schnauzbart von Anthony Kiedis:
httpv://www.youtube.com/watch?v=wMPzcHB5xXI
Die Red Hot Chili Peppers bei MySpace.
Eine leicht gekürzte Version dieser Rezension gibt es auch bei news.de.
6 Gedanken zu “Red Hot Chili Peppers – „I’m With You“”