Künstler | Richard Ashcroft | |
Album | Keys To The World | |
Label | Parlophone | |
Erscheinungsjahr | 2006 | |
Bewertung |
Ich habe Richard Ashcroft noch nie lachen sehen. Nicht mal bei „Live 8“, als ihn Chris Martin auf die Bühne holte und den Milliarden Zuschauern als „den besten Sänger der Welt“ ankündigte. Im Booklet seines neuen Albums ist ein Foto, schwarz-weiß. Ashcroft mit Sonnenbrille, Lederjacke, die Haare in die Stirn gekämmt, wie man ihn kennt. Fast. Denn beinahe sieht es aus, als würde er lachen. Doch dann sieht man genauer hin und bemerkt: Er lacht nicht. Er singt.
Diese Erkenntnis ist es, was Richard Ashcroft ausmacht, was ihn noch immer wichtig macht, was ihm in all dem Verve-Größenwahn und all der Solo-Erfolglosigkeit die Würde bewahrt hat. Richard Ashcroft ist dies alles wichtig. Man ist solche Hingabe, so viel Herzblut und Ernsthaftigkeit kaum mehr gewohnt. Aber ihm geht es nicht um Entertainment, Berühmtheit oder Geld. Ihm geht es um Kunst. Seine Texte, seine Musik, sein Gesang – das ist es, wofür er lebt. Und so könnte auch dieses Album wieder A Portrait Of The Young Man As An Artist heißen, frei nach James Joyce.
Gleich zweimal wird die Künstlerrolle als Berufung hier auch thematisiert. Simple Song hat die Melodie eines Klassikers, und wenn der Text dann im Refrain „I’m singing“ heißt, dann singt Ashcroft diese Zeile nicht bloß, er zelebriert sie, lebt sie, atmet sie, ist süchtig danach. Das zweite Stück heißt Music Is Power. Es beschwört mit leichtem Funk und schmissigen Streichern die Kraft der Kunst, die Majestät der Melodie – und es gibt nicht viele Leute, denen man diese Botschaft abnehmen würde, ohne dass sie dabei peinlich wirkte.
Denn kaum jemand sonst hat diese Unbedingtheit in der Stimme. Und mit der geht Ashcroft bevorzugt die ganz großen Themen an: Religion (der etwas platte Opener Why Not Nothing?), Verlust der Unschuld (das zauberhaft zarte Sweet Brother Malcolm), die ewigen Gesetze (der erbauliche Rausschmeißer World Keeps Turning) und natürlich die Liebe (der wundervolle Walzer Why Do Lovers?).
Für Nichtiges und Nettigkeiten hat er keine Zeit, und gerade diese Konzentration, diese Fixierung, mit der er Glück und Sinn (eben die Keys To The World) sucht, lässt seine entspannteren Momente so erfüllt und wahr klingen. Diesmal im Angebot: der Sommernachtstraum Break The Night With Colour und Words Just Get In The Way, vom Piano getragen, an Eleganz und Romantik nicht zu überbieten.
Dass hier ein Mann ein klares Ziel anstrebt, unerschütterlich, daran kann kein Zweifel bestehen. Plötzlich hat man das Video zu Bittersweet Symphony wieder vor Augen: Ashcroft bahnt sich seinen Weg, egal, was die anderen von ihm denken. Und er lacht dabei nicht.
Music Is Power versucht Richard Ashcroft auch live bei Jools Holland zu betonen:
httpv://www.youtube.com/watch?v=caKWrJyLjiM