Seachange – „On Fire, With Love“

Künstler*in Seachange

Seachange setzen mit „On Fire With Love“ auf kleine Schritte. Und große Songs.
Album On Fire, With Love
Label Glitterhouse
Erscheinungsjahr 2006
Bewertung

Wer seine Band nach dem Wechselspiel von Ebbe und Flut benennt, der muss in großen, beinahe ewigen Zeiträumen denken. Der weiß wohl um die Wirkungsmacht der longue durée, um die Kraft des steten Tropfens, der bekanntlich den Stein höhlt. Hoffen wir deshalb, dass es Seachange verkraften können, dass sie trotz On Fire, With Love, ihres mittlerweile schon zweiten Albums, das keine Wünsche offen lässt, noch immer in der zweiten Indie-Liga spielen. Wenn überhaupt.

Es sieht zum Glück ganz so aus, als scheren sie sich nicht darum. Denn das Sextett aus Nottingham unternimmt hier nirgends einen verkrampften Versuch, es jetzt endlich zu schaffen, big time. Seachange setzen stattdessen auf organisches Wachstum, auf Nachhaltigkeit. Bisher läuft es ja auch nach Plan: Live-Rummel, Internet-Euphorie, erste Singles, vor zwei Jahren ein starkes Debüt.

Und nun: On Fire, With Love, produziert von Tony Doogan (Belle & Sebastian, Teenage Fanclub), an dem zwei Jahre gewerkelt wurde und das eigentlich ein Doppelalbum (eins laut, eins leise) werden sollte. Nun ist es eine CD, gerade einmal 40 Minuten lang. Und superb.

Da ist der Opener Annie, Tacoma, der mit Noise-Elementen spielt, sich dann aber im Refrain zusammenreißt – und alle mit. Da ist Battleground, das wie eine rotzige Version von Coldplay klingt (wenn man sich so etwas vorstellen kann). Da ist das nach vorne preschende No Backward Glance (ich sag’s doch: nach vorne), das wehmütige Anti-Story mit Akkordeon und putzigem Akzent von Sänger Daniel Eastop, da ist der Hit The Key mit feiner Orgel und dem göttlichen Reim „It’s over / Casanova“.

Christmas Letters schafft es, ebenso packend wie nonchalant zu sein, das akustische Midsummer Fires erhält durch die Geige von Johanna Cormack eine besondere Note, Punch And Judy schwelgt ganz bezaubernd, fast selbstvergessen. Der Rausschmeißer In ist grandios arrangiert, voller Spannung, Herz und Emphase – wie alles auf dieser Platte.

Doch niemals wird hier alles in die Waagschale geworfen. Das ist die kontrollierte Offensive, die Politik der kleinen Schritte. Sind Seachange deshalb die große Koalition des Indie? Wir wollen doch nicht ungerecht sein…

Da hat jemand beim WDR eine Menge Geschmack und hat Seachange gefilmt, live in Bonn mit Punch & Judy:

httpv://www.youtube.com/watch?v=1BP9Mad1Obo

Seachange bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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