Künstler | Sebastian Lind |
Album | I Will Follow |
Label | Columbia |
Erscheinungsjahr | 2012 |
Bewertung | **1/2 |
„Hallo, ich bin Sebastian Lind aus Dänemark, 23 Jahre alt, 172 Zentimeter klein, oder je nach Sichtweise auch groß. Ich bin Musiker.“ So beginnt das Presse-Info von I Will Follow, seinem Debütalbum. Man kann „authentisch“ dazu sagen. Oder „langweilig“. Genau das trifft auch auf seine Musik zu.
Lind, der unter anderem schon im Vorprogramm von James Morrison gespielt hat, sieht sich nicht als klassischen Singer/Songwriter. „Dafür schiebt mir die Wundertüte Pop allmorgendlich zu viele unterschiedliche Spielweisen durch die Studio-Eingangstür. Songs zu schreiben und sie dann nur mit der Gitarre aufzunehmen, käme mir nicht in den Sinn. Jedenfalls nicht ausschließlich. Die Elektronik bietet Möglichkeiten, Songideen auf interessante Fährten zu locken“, sagt er. Entsprechend baut die akustische Gitarre hier oft das Grundgerüst, an dem sich dann aber allerlei Experimente empor ranken. What Are You Waiting For beispielsweise bleibt komplett akustisch, Another You durchweht dafür fast so etwas wie Club-Atmosphäre.
Das ist nichts, was man nicht schon einmal gehört hätte. Und es gibt wenig auf dieser Platte, das herausragend wäre. Langweilig wird I Will Follow trotzdem nicht. Und das liegt vor allem an der Intensität, mit der Sebastian Lind zu Werke geht. „Musik ist ein extremes Biest. Sie kann verhältnismäßig einsam machen, sie kann aber auch eine unverhältnismäßig große Bindung herstellen“, hat er erkannt. Ihn hat die Musik schon längst gefangen genommen. Lind macht alles an seiner Kunst selbst, bis hin zur Gestaltung des Merchandisings. Und er lebt diese Lieder.
„If there is a God / then God is me”, meint er im beinahe trotzigen Around Me, in dem er sich nur von einer Gitarre und ein paar Kleinigkeiten begleiten lässt. Die Erkenntnis, dass man letztlich immer auf sich selbst zurückgeworfen wird, taucht auf I Will Follow immer wieder auf, genau wie die ambitionierte Suche nach den letzten Antworten.
„Save you from yourself“ lautet die Aufforderung im akustischen Woods, später ist I’m Alive so etwas wie vertonter Existenzialismus. Die Single Never Let Go entwickelt sich zu einem kraftvollen Mantra, im reduzierten Unseen lautet das Versprechen „I won’t go, my friend“. Beinahe wie ein Gospelsong kommt der Titeltrack daher, nicht nur wegen seiner Orgelklänge. Choose Love wird sogar vollends programmatisch, fordert den Verzicht auf alles Weltliche und feiert diese Idee mit so viel Hoffnung (und ein bisschen Percussions), dass die Idee tatsächlich verlockend wirkt.
Manchmal klingt Sebastian Lind, als würde ihn im Verlauf seiner Lieder all seine Lebenslust verlassen. Der Opener Still Here ist ein Beispiel dafür: „Time has come for me to say goodbye“, singt er da zu einem seltsamen Bass und dezenter Elektronik. Alles ist verfremdet, alles ist fremd. Er hat genug, er hat es satt – das ist vermutlich die Botschaft. In anderen Fällen scheint er sich selbst Mut zuzusprechen, ebenso erfolgreich. Ganz am Schluss blickt er im akustischen I Can Sleep (das gegen Ende ein wenig klingt, als hätte Paul Kalkbrenner die spanische Gitarre für sich entdeckt) dem Tod ins Auge, versöhnlich und ganz ohne Angst.
Das ist letztlich die Stärke von I Will Follow: Sebastian Lind singt hier fast immer aus einer Position der ultimativen Bedrohung, der existenziellen Bedrängnis. Und so wird jedes seiner Lieder zu einem Gebet.
Natürlich stammt auch das Konzept zum Video von Never Let Go von Sebastian Lind höchstselbst:
httpv://www.youtube.com/watch?v=VFEg-BLcC_Y