Künstler | Speech Debelle | |
Album | Freedom Of Speech | |
Label | Big Dada | |
Erscheinungsjahr | 2012 | |
Bewertung |
Ein bisschen ärgerlich ist das schon, dass Speech Debelle den Mercury Prize schon vor drei Jahren für ihr Debüt Speech Therapy bekommen hat. Denn diesmal ist alles besser. Der Albumtitel Freedom Of Speech passt perfekt zu einer Künstlerin, die den ersten Schock des Ruhms verdaut hat, sich aber weder mit Selbstzufriedenheit begnügen noch in Rampenlicht-Wehleidigkeit ergehen will. Das Covermotiv zeigt die 28-Jährige in einer Pose, die ganz verschiedene Interpretationsmöglichkeiten zulässt: Speech Debelle könnte tanzen, mit einer Hand in der Höhe. Sie könnte protestieren. Oder sie könnte, darauf deutet die andere, defensive Handbewegung hin, sich ergeben, kapitulieren vor irgendeiner unbezwingbaren Macht, die vielleicht „Liebe“ heißt.
Auch die Musik ist auf Freedom Of Speech noch ein bisschen besser geworden. Speech Debelle demonstriert hier ein Selbstvertrauen, wie man das von Robyn kennt, grenzenloses Talent und ganz viel Musikalität. Im Kern ist ihre Musik noch immer HipHop, aber ohne eine Spur von Großmannssucht, sondern voller Wärme und Gefühl. Die Texte sind gelungen, der Gesang ist ein Genuss – und doch zählt es zu den Stärken des von Kwes produzierten Albums, dass Freedom Of Speech auch ausführliche Passagen ohne Stimme verträgt, ohne langweilig oder belanglos zu werden.
Studio Backpack Rap macht den Auftakt. Fast 15 Sekunden lang gibt es nur die Stimme von Speech Debelle. Dann ertönt ein Beat, der so mächtig ist, dass er definitiv auch die Goldketten von Run DMC zum Klingen gebracht hätte, schließlich gesellt sich ein famoser Bass dazu, der den Track weg von „kraftvoll“ und hin zu „funky“ führt. Das ambitionierte Blaze Up A Fire (mit Roots Manuva) setzt gleich ein ganzes Orchester ein und könnte mit seiner virtuosen Eleganz auch von Morcheeba stammen.
X Marks The Spot wird durch eine Gitarre und höchst kreative Drums bereichert und füllt nicht nur ein bisschen das Loch, das Lily Allen hinterlassen hat. Shawshank ist ein wundervoller Reggae-Ausflug, der beinahe glauben lässt, Lauryn Hill sei bei All Saints eingestiegen. I’m With It, das Speech Debelle gemeinsam mit Eg White (Lana Del Rey, Duffy, Adele) geschrieben hat, wird ein famos leichtfüßiger Discotrack.
Am besten ist Freedom Of Speech, wenn Speech Debelle sich ganz in ihre Gefühle stürzt. Zentrale Zeilen werden bei ihr nicht geschrien oder zum Refrain-Slogan gemacht, sondern immer wieder hintereinander aufgesagt, und mit jeder Wiederholung steigert sich ihre Wirkung. Im genialen Beziehungsdrama Elephant In The Living Room wird die Zerrissenheit, die in den Worten „I can’t do this anymore“ steckt, dadurch fast schmerzhaft spürbar. In Angel Wings könnte die Musik nicht angenehmer sein, aber der Gesang sorgt für ein Höchstmaß an Leidenschaft. Speech Debelle gibt gerne zu, dass sie auf diesem Album nichts zurückhält: “My personality comes through a lot on this album, it sounds like my life. The whole thing sounds like those moments when you’re re-telling a story to your mate – and that’s just me.”
Besonder stark wird dadurch das letzte Drittel von Freedom Of Speech. Ein bisschen Kate Nash, ein klasse Beat und ganz viel Weisheit stecken in The Problem. Explizit politisch wird Collapse, das ebenso wie das folgende Eagle Eye von einem schweren Piano dominiert wird.
Das Finale bildet Sun Dog. Ganz schüchtern beginnt Speech Debelle diesen Schlusspunkt, flüstert beinahe nur zu Cello-Begleitung, dann wird aus dem Lied eine siebenminütige Mini-Oper. „Of all the songs I’ve done I put more thought into this than any of the rest”, sagt Speech Debelle über Sun Dog, und den dann folgenden Teil ihres Satzes darf man als Versprechen interpretieren: „It’s definitely a level of thought and consideration I want to keep up in future work.”
Speech Debelle verrät in ihrem Video-Tagebuch, wer ihre Lieblings-Rapperinnen sind:
httpv://www.youtube.com/watch?v=hEi724S-TqA
2 Gedanken zu “Speech Debelle – „Freedom Of Speech“”