Künstler | Tamaryn |
Album | Tender New Signs |
Label | Mexican Summer |
Erscheinungsjahr | 2012 |
Bewertung | *** |
„Ich weiß noch, wie abscheulich ich die zufällig Wiedergabe bei iTunes fand, weil sie die Titelfolge versaute, an der ich viele Stunden herumlaboriert hatte. Dass man Titel einzeln bekommen und sie in zufälliger Reihenfolge abspielen kann, ist meiner Meinung nach zum Kotzen. Dann bin ich eben altmodisch, von mir aus. Ich mache Alben und ich will, dass die Songs zusammenbleiben und ein bestimmtes Gefühl erzeugen. Ich denke mir was dabei. Ich will nicht, dass Leute sich aus den Alben die Rosinen rauspicken. Ich suche die Singles gern selber aus. Schließlich ist es mein Scheiß.“
Das ist die Meinung von Neil Young, und man darf annehmen, dass ihm Tender New Signs gefallen wird. Aus zwei Gründen: Erstens zeigt das zweite Album von Tamaryn, wie verrückt Produzent Rex John Shelverton, der hier die Gitarren beisteuert, an einzelnen Sounds bastelt und wie besessen er sich dabei um Verstärker, Effekte und anderen Kram kümmert, den Neil Young mindestens genauso faszinierend findet. Wer das nicht glaubt: Hier gibt es sogar eine Infografik mit dem Equipment, das er bei seinen Beiträgen für Tamaryn benutzt. Zweitens ist Tender New Signs ein Albumalbum durch und durch. Diese Platte funktioniert nur als Einheit, und könnte niemals dieselbe Wirkung erzielen, wenn die Songs plötzlich eine andere Reihenfolge hätten.
Der Sound von Tamaryn (die gleichnamige Sängerin stammt eigentlich aus Neuseeland, lebt nach einem Zwischenstopp in New York aber mittlerweile in San Francisco) ist dabei einigermaßen schnell umschrieben: Tender New Signs klingt, als hätten sich Joy Division neu formiert, mit Sarah Cracknell von Saint Etienne als Sängerin. I’m Gone, der Track, den Tamaryn ganz im Sinne von Neil Young selbst als Single herausgesucht haben, setzt auf ein vergleichsweise monotones Schlagzeug, viel Hall auf der Stimme, einen oft erstaunlich melodiösen Bass und die Gitarre, die ohne Delay-Effekt nicht überlebensfähig zu sein scheint.
While You’re Sleeping bekommt danach ein bisschen mehr Fokus auf den Bass, auch sonst ist der Variantenreichtum überschaubar: Transcendent Blue verzichtet kurz vor Schluss komplett auf Schlagzeug, Prizma hat etwas mehr Schwung als der Rest des Albums. Aber Tempo ist ohnehin ein Begriff, der im Universum von Tamaryn nicht zu existieren scheint. Das ist auch nicht sonderlich schlimm, weil sie Geschwindigkeit einfach durch Intensität ersetzen.
No Exits illustriert das am besten: Der Song wirkt eher getragen und unterscheidet sich damit ebenfalls nicht groß vom Rest der Stücke auf Tender New Signs. Aber als er ausklingt, merkt man plötzlich erst, wie viel da vorher gebrodelt, gebrannt und gewütet hat. Songs wie Afterlight sind gleichzeitig sphärisch und beklemmend. Garden mit seinem angriffslustigen Gitarren-Intro klingt, als würden Echobelly das (dritte oder vierte) Shoegaze-Revival lostreten wollen.
„In making this record, I hoped to transcend the mundane world, by living in a new one of my creation“, sagt Tamaryn über das Ziel von Tender New Signs. Das hat sie voll und ganz erreicht – und eine verführerische, magische Welt erschaffen, die man sich nicht anders vorstellen kann als im Nebel.
Auch reichlich neblig: das Video zu The Garden.
httpv://www.youtube.com/watch?v=TsG9I40eVJU