Künstler | The Beatles | |
Album | Let It Be | |
Label | EMI | |
Erscheinungsjahr | 1970 | |
Bewertung |
Die Beatles waren in vielen Dingen Vorreiter, und so waren sie auch die ersten, die eine Krise mit dem zurück-zu-den-Wurzeln-Allheilmittel zu bewältigen hofften. Nach dem Stress des Weißen Albums sollte eine ursprüngliche Aufnahme her.
Die Band wollte bei den Sessions sogar gefilmt werden, damit das Publikum den Entstehungsprozess der Songs nachvollziehen kann, von den ersten Jams über die Proben bis hin zur Studioaufnahme. Die Platte war der Soundtrack dazu und quasi als Live-Album mit neuem Material konzipiert.
Vielleicht lag es gerade an den allgegenwärtigen Kameras, dass sich die gewünschte neue Harmonie nicht einstellte. „Es gab viele Diskussionen und wenig Einigkeit. Zu jener Zeit kamen sie mir wie ein steuerloses Schiff vor. Die vier mochten sich nicht mehr besonders, und ständig kam es zu Reibereien zwischen ihnen“, erinnert sich Produzent George Martin.
Paul McCartney war wohl der einzige, der die Band noch am Leben erhalten und die natürlichen Stärken der Gruppe wieder an die Oberfläche holen wollte. Doch seine Rettungsversuche wurden von den anderen als Bevormundung ausgelegt. George Harrison fühlte sich so eingeengt, dass er zwischenzeitlich sogar die Band verließ. John Lennon wollte vor allem Zeit für Yoko haben: „Let It Be zu drehen, war die Hölle. Das war die elendeste Session aller Zeiten.“
Richtig Spaß hatten alle Beteiligten wohl erst, als die Gruppe von den Twickenham-Filmstudios in den noch gar nicht fertiggestellten Apple-Keller umzog und George kurz darauf einen alten Bekannten aus Hamburger Tagen mitbrachte: Billy Preston. „Einen Fünften dazuzuholen, war genau das richtige Mittel, um das Eis zu brechen, dass sich zwischen uns gebildet hatte. Wir spielten besser und hatten eine großartige Session“, beschreibt George den erfreulichen Nebeneffekt der Mitwirkung des Tastenmannes.
Get Back macht die Spielfreude am deutlichsten. Nachdem sie das Konzert für das Ende des Films eigentlich auf einem Schiff, dann in einem Amphitheater und dann in der Sahara spielen wollten, gingen die Beatles einfach aufs Apple-Dach – und klangen dort plötzlich wieder unverbraucht, unschuldig und hungrig. Pauls Taktik der Wiederbelebung durch Live-Auftritte hätte also durchaus aufgehen können, daran kann nach der in Flammen stehenden B-Seite Don´t Let Me Down (ebenfalls mit Billy Preston) kein Zweifel aufkommen.
Auch zu viert waren die Sessions keineswegs unfruchtbar. Johns Across The Universe ist reine Intuition, Two Of Us hat ein bezauberndes Break, Dig A Pony lebt von seiner Emphase, Let It Be ist natürlich perfekt, The Long And Winding Road wunderschön – ob nun mit oder ohne Orchester.
Anderes hingegen leidet unter der Spontaneität, ist nicht offen, sondern orientierungslos. Angesichts von I´ve Got A Feeling oder One After 909 kann man durchaus verstehen, wenn John Lennon mit den Resultaten unzufrieden war. „Als wir uns an Let It Be machten, konnten wir das Spiel nicht mehr weiterspielen. Bis dahin hatten wir wirklich fest an das geglaubt, was wir taten. Und plötzlich war uns dieser Glaube abhanden gekommen. Wir waren an einem Punkt angelangt, wo wir keine Magie mehr erzeugen konnten.“
Am Ende hatten sie 29 Stunden Material aufgenommen, und niemand hatte mehr große Lust, aus diesem Wust aus Takes nun ein Beatles-Album zu machen. So wurden die Bänder an Phil Spector übergeben, der Let It Be schließlich produzierte. Der somit übergangene George Martin war von dieser Wahl empört und von Spectors Resultaten enttäuscht. „Er hat die Platten der Beatles unter Niveau produziert. Ihre Platten klangen jetzt wie die von anderen Leuten.“
Paul war ebenfalls sauer, weil es durch die Nachbearbeitungen nun doch kein reines Gitarre/Bass/Schlagzeug-Album geworden war. George und Ringo hingegen waren mit Spectors Zugaben zufrieden, und John hatte wie immer seine ganz eigene Ansicht: „Ich dachte, es wäre vielleicht gar nicht schlecht, wenn das Material so herausgekommen wäre, in der beschissenen Version, denn das würde den Mythos Beatles kaputtmachen. So sind wir, würde das jedem sagen, wir mit runtergelassenen Hosen. So sehen wir aus, wenn man uns völlig entblättert hat.“
So viel Ehrlichkeit und Selbstkritik hätten die Fab Four schon viel eher gebrauchen können. Stattdessen hatte man sich während der Let It Be-Aufnahmen noch weiter voneinander entfernt. Der Film dokumentiert das teilweise, und als auch er endlich fertig geschnitten war (inzwischen war schon das eigentlich später aufgenommene Abbey Road-Album herausgekommen), erschien auch der Soundtrack als letzte Beatles-LP.
Get Back heißt bezeichnenderweise der abschließende Song, der Werbeslogan zur Single hieß: „The Beatles as nature intended.“ Das war das Ziel und die Hoffnung gewesen, doch bezogen auf das Album blieb es bloß eine Verheißung. Die Beatles hatten einfach kein Interesse mehr an den Beatles, und sahen das später sogar ganz versöhnlich. John Lennon: „Das Ende kam langsam und unvermeidlich. Das ist nur natürlich und keine Katastrophe. Die Leute reden darüber, als wäre so etwas das Ende der Welt. Und dabei hat sich nur eine Rockgruppe getrennt. Nichts Wichtiges. Wer in Erinnerungen schwelgen will, hat immer noch die alten Platten. Diese ganze großartige Musik ist ja nicht verschwunden.“
Jede Menge Szenen aus den verkorksten Sessios in den Twickenham-Studios:
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3 Gedanken zu “The Beatles – „Let It Be“”