The Boxer Rebellion – „The Cold Still“

Künstler The Boxer Rebellion

"The Cold Still" lebt von seiner Geschlossenheit - genau wie die Band.
„The Cold Still“ lebt von seiner Geschlossenheit – genau wie die Band.
Album The Cold Still
Label Absentee Recordings
Erscheinungsjahr 2011
Bewertung

„I think if we were solo artists, we’d have all quit by now“, gesteht Nathan Nicholson, Sänger von Boxer Rebellion. Der einzige Grund dafür, dass seine Band fast zehn Jahre noch ihrer Gründung in London noch existiert, sei der Zusammenhalt innerhalb der Gruppe.

Man könnte The Boxer Rebellion kaum vorwerfen, wenn sie es nicht bis zu The Cold Still, ihrem dritten Album, geschafft und stattdessen längst das Handtuch geworfen hätten. Kurz nach Erscheinen des Debüts Exits (2005) ging ihre Plattenfirma (Alan McGees Poptones-Label) pleite. Auch deshalb dauerte es vier Jahre bis zum Nachfolger Union, den sie selbst finanzieren mussten. Dazwischen lag noch eine monatelange Erkrankung von Nicholson.

Auch nach dessen Genesung sah es noch nicht besonders rosig aus für die Zukunft von The Boxer Rebellion. Als sie das Glück dann vielleicht schon gar nicht mehr suchten, kam es zu ihnen – dort, wo so viele dem Glück hinterher jagen: in Hollywood. Die Macher des Kinofilms Going The Distance mit Drew Barrymore (deutscher Titel: Verrückt nach dir) sahen eine Show von The Boxer Rebellion im Troubadour, waren begeistert und sorgten dafür, dass drei Songs der Band dann im Film zu hören waren.

Ab da lief es rund: Union, das noch immer nur als Download erhältlich war, erreichte Platz 82 in den US-Charts und wurde von iTunes 2009 zum Alternative Album Of The Year gekürt.

Für das dritte Album The Cold Still, das eigentlich heute erscheinen sollte, nun aber eine Woche später am kommenden Freitag herauskommt, begeben sich The Boxer Rebellion nun in die Hände von Produzent Ethan Johns (Ben Kweller, Laura Marling, Crowded House). Er hat das Quartett live im Studio spielen lassen – und das war eine sehr richtige Entscheidung. Denn nun verkörpert The Cold Still auch im Sound das, was The Boxer Rebellion ausmacht und am Leben erhalten hat: Einheit, Symbiose, Geschlossenheit.

Selbst wenn die Band die ungewöhnlichsten Zutaten miteinander vermischt, geht das gut. Am Ende von Caught By The Light ist ein zartes Piano zu dröhnenden Gitarren und einem wild gewordenen Crash-Becken zu hören – doch nichts könnte schlüssiger klingen. The Runner hat einen Gesang mit viel Pathos, der fast zu U2 passen würde, dazu einen verführerischen Sixties-Jangle und die rhythmische Kraft der besten Muse-Stücke. Im Organ Song sorgt eine Orgel für das epische Element, eine akustische Gitarre setzt dem eine hier selten zu erlebende Leichtigkeit entgegen und der Gesang schwingt sich darüber zu einer melodiösen Eingängigkeit auf, die Jimmy Eat Worlds beste Zeiten wieder auferstehen lässt.

Der Rest ist sehr gekonnter Rock mit einer guten Dosis Melancholie. Es gibt keinen Hit, aber ganz viel Qualität und eine großen Sound, den Johns auch schon den Kings Of Leon hat angedeihen lassen. Manchmal lässt das an Saybia denken (vor allem beim Opener No Harm, den man übrigens gerade kostenlos auf ihrer Homepage herunterladen kann). Wenn es süße Chöre und großes Theater gibt, stehen Arcade Fire Pate (Locked In The Basement). Ryan Adams (der ebenfalls ein Ethan-Johns-Intimus ist), hätte sich über Songs wie Both Sides Are Even und den Rausschmeißer Doubt definitiv auch gefreut. Und ganz vieles erinnert an Radiohead zur Zeit von The Bends.

Gitarrist Todd Howe meint, The Boxer Rebellion seien mit The Cold Still zum Kern der Band vorgedrungen, zur „essence of what we are as a unit“. Man kann das unterschreiben, und eigentlich nur zu einem Urteil kommen: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.

Das nenne ich mal ein nettes Debüt: Bei David Letterman haben The Boxer Rebellion ihren ersten Fernsehauftritt und spielen Step Out Of The Car:

httpv://www.youtube.com/watch?v=cQtpx-_GgLc

The Boxer Rebellion bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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