Künstler | Cardigans | |
Album | Life | |
Label | Stockholm Records | |
Erscheinungsjahr | 1995 | |
Bewertung |
Vielleicht war ja das Cover Schuld. Nina Persson strahlt darauf wie Audrey Hepburn, in Schlittschuhen und blauem Plüsch. Schon war das böse E-Wort da: Easy listening. Die Cardigans wurden mit Life, ihrem internationalen Debüt, nicht nur zu einem Teil, sondern zur Speerspitze dieser Bewegung. Ein folgenschweres Missverständnis. „Wir wurden mehr damit assoziiert, als und lieb war“, erinnert sich Nina. Auch Gitarrist Peter Svensson wunder sich im Nachhinein: „Der ganz Easy-Listening-Rummel hat uns total überrascht. Plötzlich galten wir als Vorreiter eines Retro-Stils, obwohl wir uns tatsächlich nie zuvor mit dem Original auseinandergesetzt hatten.“
Ganz unschuldig waren die Fünf aus Malmö daran aber nicht. Denn Optik und Ästhetik weisen zurück in die Sixties – nicht nur auf dem Cover, sondern auch im Sound. „Die fünf Schweden schaffen mit ihrem flauschigen Pop eine idealisierte Vorstellung der 60er Jahre“, hat der Musikexpress nach dem Hören dieser Platte ganz richtig erkannt. Auch der Rolling Stone sah diese Herangehensweise, „den klassischen Beat vom Jazz und Breitwand-Pop der 60er Jahre her aufzurollen.“
Eigentlich zeitlose Popmusik also, wenn auch im Gewand einer ganz bestimmten Epoche. Dass Life dennoch als Easy-Listening-Platte verkannt wurde, war angesichts von banal klingenden Songtiteln wie Gordon’s Gardenparty oder Travelling With Charley möglicherweise sogar ein wenig kalkuliert, lag aber wohl in erster Linie an der Grundidee. „Life war absichtlich ganz besonders flockig konzipiert. Es war eine Zusammenstellung der fröhlichsten Lieder aus unserem Debütalbum Emmerdale und ein paar anderen Songs“, erklärt Peter.
Wer die ursprünglich nur in Schweden veröffentlichte erste Platte bereits besitzt, trifft auf Life also ein paar alte Bekannte wieder – und zwar sehr gerne. Celia Inside etwa, Sick And Tired oder eine neue Version von Rise And Shine. Ganz ähnlich gelagert – und mindestens ähnlich gut gelungen – sind Carnival und Hey Get Out Of My Way. Beide voller Energie, beide mit der schon auf Emmerdale gezeigten unterschwelligen Betrüblichkeit, beides Riesenhits.
Auch sonst hat sich am Klanggewand wenig geändert. Die Cardigans haben immer noch keine Angst vor dem ganz großen Wurf, und so wimmelt es vor Streichern, Flöten und Glockenspielen. Das macht Life zu einer wahren Freude, aber noch lange nicht zu „Plastik-Pop, der nichts anderes sein will als Plastik-Pop“, wie der Musikexpress befand, der die Platte unter den fünfzig besten Platten des Jahres 1995 immerhin auf Platz 38 einreihte (Morning Glory war Nummer 24, Album des Jahres wurde Post von Björk).
Schon eher handelt es sich um „immer aufs Design konzentrierten Retro-Pop“, den der Rolling Stone erkannte. Denn unter der genau bedachten Oberfläche schlummern reichlich Bruchstellen. Wer genau hinhört, erkennt den feinen Unterschied zwischen Koketterie und wahrem Charakter. „Die Cardigans spielen mit dem Status der harmlosen Pop-Band. Und dass sie bocken, wenn auch nur ein bisschen, das macht sie sympathisch“, schließt der Rolling Stone seine Rezension von Life. Auf der nächsten Platte sollten sie dann auf die Sympathien pfeifen, fast nur noch bocken – und alles blödsinnige Easy-Listening-Gerede vom Tisch wischen.
Helau again: Der Clip zum umwerfenden Carnival:
httpv://www.youtube.com/watch?v=MFIM4HMKNY4