Künstler | Cardigans | |
Album | Long Gone Before Daylight | |
Label | Stockholm Records | |
Erscheinungsjahr | 2003 | |
Bewertung |
Long Gone Before Daylight hätte sehr wahrscheinlich das letzte Cardigans-Album werden können. Denn mit ihrer fabelhaften A-Camp-Platte hatte sich Sängerin Nina Persson räumlich und musikalisch enorm vom Rest der Band entfernt, auch wenn sie dabei stets beteuerte, das Solo-Projekt bedeute auf keinen Fall das Aus für die Cardigans. Wie man hört, stand die Auflösung dann doch zur Diskussion, wochenlang. Erst dann raufte sich das Quintett wieder zusammen und machte ein Album, das nicht der Schwanengesang der Cardigans ist, sondern der Beginn ihres Alterswerks.
Easy Listening ist schon lange nicht mehr, auch der Hedonismus wurde über Bord geworfen – und geblieben ist etwas, das wohl Melancholie heißt. Der Sound ist deutlich näher an A-Camp als am Cardigans-Vorgänger Gran Turismo. Das bedeutet: Nina Persson steht noch mehr im Mittelpunkt, hat noch mehr Raum für ihre betörende Stimme und kann endlich auch ihre wundervollen Texte angemessen zur Geltung bringen.
Der Opener Communication gibt bereits die Themen vor und schwelgt in seiner Unentschiedenheit zwischen Resignation und Hoffnung. Ebenso widersprüchlich und noch ein Stück unwiderstehlicher gerät dann You’re The Storm: „I like the sweet life and the silence / but it’s the storm that I believe in.“ Auf A Good Horse darf dann ein bisschen gerockt werden, Howlin Pelle Almqvist singt mit, Sheryl Crow scheint Pate gestanden zu haben. Mit And Then You Kissed Me kommen die Cardigans schließlich ganz und gar in Amerika an.
Couldn’t Care Less ist das untröstlichste Lied, das die Cardigans je gemacht haben – und sie haben eine Menge untröstlicher Lieder gemacht. „My blood don’t flow anymore / and you couldn’t care less, could you?“ Keiner hat das Ende gewollt, doch nun ist es da – und auf dem Weg dahin war nur eines sicher: die eigene Schuld. Gerade, weil diese Erkenntnis so klar ist und weil sie so lakonisch hingenommen wird, ist der (Selbst-)Vorwurf so erbarmungslos. Sehr weise ist das, und Blues.
Der Mittelteil schwächelt dann etwas. Please Sister könnte fast ein Roxette-Track sein, wenn sich Roxette noch ein bisschen Mühe geben würden. For What It’s Worth zerfasert ein wenig, auch Lead Me Into The Light verschenkt seine wundervolle Strophe (textlich: Dylan, melodisch: ein Traum) leider. Live And Learn könnte die nächste Single sein, ist ein bisschen cleverclever, schrammt aber haarscharf daran vorbei, bemüht unbeschwert zu klingen.
Ein ganz großer Wurf gelingt erst wieder mit dem Rausschmeißer. 03:45: No Sleep beginnt mit einer magischen Strophe, man erwartet einen Harmoniewechsel, doch Nina Persson lässt uns erst noch ein paar Zeilen lang zappeln, um dann mit dem Refrain doch alle Versprechen einzulösen. „If I had one wish fulfilled tonight / I’d ask for the sun to never rise“, singt sie. Man möchte sie in den Arm nehmen, trösten und festhalten. Wenigstens noch eine Weile.
Wunderschön: Der Clip zu You’re The Storm:
httpv://www.youtube.com/watch?v=ZWZ8dEudzMk