Künstler | The Cornshed Sisters |
Album | Tell Tales |
Label | Memphis Industries |
Erscheinungsjahr | 2012 |
Bewertung | *** |
Darf man das? Zu einem sehr geschmackvollen Klavier und einer dezenten Gitarre singen die Cornshed Sisters einen zuckersüßen Refrain. Und der heißt: „If bombs were love / then you can call me Dresden.“
Ob das geschmacklos ist, dürfen gerne andere beurteilen. In jedem Fall ist es, obwohl Dresden im Original von den Punks von Les Cox Sportifs stammt, eine typische Methode für die Cornshed Sisters: Sie sehen aus wie die Unschuld vom Lande, aus einer Zeit, in der es noch nicht einmal Verhütungsmittel gab. Aber sie haben es faustdick hinter den Ohren.
Das Quartett aus Sunderland (Jennie, Cath, Liz und Marie sind, streng biologisch betrachtet, übrigens keine Schwestern) vermischt auf seinem Debüt Tell Tales immer wieder den zauberhaftesten Wohlklang mit schauderlichen, witzigen, grotesken Geschichten.
Es geht auf Tell Tales um Wildkatzen im Blutrausch (der Ocelot Song klingt wie eine vierköpfige Tori Amos), obsessive Wahrsager (The Beekeeper baut mit ganz wenigen Mitteln eine bedrohliche Atmosphäre auf) oder Wasserraten (in Tommy wird acappella gesungen, und man kann nicht sicher sein, ob da vier Engel am Werk sind, oder vier Sirenen, die einen ins Verderben locken wollen) – und das sind nur die Themen, die mit W beginnen.
Der Gesang das Quartetts ist gerne geister- und immer meisterhaft, dazu kommt auf dem von Peter Brewis (Field Music) produzierten Album so gut wie nichts: ein bisschen Klavier, gelegentlich eine Gitarre oder Ukulele. One By One oder der Rausschmeißer Sail To Me sind gute Beispiele dafür, in denen sich der Chorgesang in die Nähe der Corrs oder Wilson Phillips bewegt. Soft White klingt ein bisschen wie Nachhilfestunden für die Pipettes in der Musikschule. Wenn in If You Were Mine zum ersten und einzigen Mal auch ein vorsichtiger Bass und ein Besenschlagzeug das Klanggefüge bereichern und für etwas mehr Schwung sorgen, dann kann man auch an Kate Nash denken – obwohl die womöglich keinen Text übers Gärtnern schreiben würde.
Der vielleicht beste Bezugspunkt ist Amanda Palmer in ihren Tagen bei den Dresden Dolls: Auch da gab das Klavier den Ton an, auch da waren die Melodien einschmeichelnd, aber die Texte steckten voller schwarzhumoriger Abgründe. Das beste Beispiel dafür ist Pies For The Fair, das bloß aus Klatschen und Gesang besteht und nicht ohne Grund noch einer Murder Ballad klingt: Hier erzählen die Cornshed Sisters die Geschichte einer Frau, die Menschenfleisch zu Pasteten verarbeitet. Spooky.
Himmlisch: Die Cornshed Sisters unterstützen die Futureheads bei einem Sparks-Cover:
httpv://www.youtube.com/watch?v=UND9mdeyLLw
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