Künstler | The Dodos | |
Album | No Color | |
Label | Wichita | |
Erscheinungsjahr | 2011 | |
Bewertung |
Wenn man seine Band „The Dodos“ nennt, dann muss man wohl etwas verstehen von der Wichtigkeit der Weiterentwicklung. Der Dodo starb schließlich aus, weil er auf kein Flucht- oder Verteidigungsverhalten zurückgreifen konnte, als der Mensch immer mehr neue Tiere in seine angestammte Heimat nach Mauritius importierte. Fliegen konnte dieser Vogel dummerweise auch nicht, und so kennt man ihn heute nur noch als Wappentier aller tragisch Zurückgebliebenen.
Meric Long und Logan Kroeber, seit 2005 als The Dodos unterwegs, wollten diesen Fehler offensichtlich nicht machen. Für ihr viertes Album No Color haben sie zwar wieder auf die Zusammenarbeit mit Produzent John Askew gesetzt, der schon für die ersten beiden Alben Beware Of The Maniacs und Visiter verantwortlich war. Doch der Sound ist weit entfernt vom Motto „Zurück zu den Anfängen“.
Im Gegenteil: Die Weiterentwicklung ist hier deutlich hörbar, nicht nur im Ergebnis, sondern auch im Anspruch und in der Herangehensweise. “It sounds like the product of a band finding something they’ve spent three records looking for”, schreibt der NME über No Color – und das trifft es gut. The Dodos haben mittlerweile ganz neue Möglichkeiten, und sie schöpfen sie gerne aus.
Bereits Black Night, das erste Stück der Platte, klingt viel muskulöser als alle Tracks beispielsweise von Visiter zusammengenommen. Mächtige Drums dominieren die ersten Sekunden, auch E-Gitarren sind sehr schnell an Bord und am Ende erreicht Black Night ein fast schwindelerregendes Tempo.
Gleich danach folgt Going Under mit ähnlich viel Power. Der Track bräuchte nur noch ein klitzekleines bisschen Testosteron, um als richtiger Rocksong durchgehen zu können. Am Endes des Lieds scheinen sich die alten und die neuen Dodos ein Duell zu liefern: wuchtiges Schlagzeug und krachige E-Gitarren wechseln sich da mit sanftem Picking und dem bekannten Drumstick-Geklapper von Logan Kroeber ab.
Good hat einiges von der Theatralik, Hysterie und Ekstase, die Arcade Fire auszeichnen. Sleep profitiert von den schrägen Streichern, die das Magik*Magik Orchestra beisteuert. Das hoch komplexe Hunting Season scheint sogar ein paar Computerbeats zu beinhalten und eine beeindruckende Gitarre, die man ruhig „heavy“ nennen kann. “I have a love for ‘90s riffs that I haven’t gotten to showcase in this band,” bekennt Meric Long. “The most fun I had with this record was when I got to strap on the electric guitar and come up with Billy Corgan riffs while the tape was rolling.” Im opulenteren Sound sieht er keineswegs einen Widerspruch zu den Psych-Folk-Ursprüngen der Dodos: “We’re more naked this way. You can hide a lot of your mistakes on an acoustic, but with an electric, every single note is much louder and more piercing. So I have to be way more on top of my playing now.”
Die Virtuosität bringt aber nicht nur Vorteile für No Color. Der Sound der Dodos ist hier zwar elaboriert wie nie, hat aber auch einiges von seiner Magie und Unmittelbarkeit verloren. Es gibt auf No Color wenig, was verzaubert und auch nicht viele Songs, die eingängig genug sind, um die Dodos zumindest zu blinden Passagieren in dem Hit-Folk-Zug zu machen, den Mumford & Sons oder Noah & The Whale in Fahrt gesetzt haben. Eine Ausnahme in dieser Hinsicht ist Don’t Try And Hide It, in dem vor allem das Zusammenspiel von Longs Stimme mit der von Neko Case fasziniert, die The Dodos diesmal unterstützt hat.
Auch ganz am Ende von No Color haben The Dodos zumindest noch ein paar feine Momente zu bieten. Companions beginnt mit einer filigranen Konzertgitarre und entwickelt dann auch dank der Geigen einen geheimnisvollen Reiz. “This track has such a patient beauty to it. I remember hearing an early mix in the studio and thinking ,this is the heart of the record’”, umschreibt Logan Kroeber seine Faszination für das Stück. Auch der Rausschmeßer Don’t Stop gehört zu den Höhepunkten. Angesichts der gelegentlich sperrigen Passagen auf No Colour dürfte das Lob von Kroeber für diesen Song freilich auch manchen Fan wehmütig schluchzen lassen. ”The sound of the melody and energy of the instruments has a feeling I associate with the early days of the band, and it’s nice to be reminded of that.”
Wenn Meric Long künftig wirklich Billy Corgan nacheifern will, dann muss er dringend noch an seinem bösen Blick arbeiten, wie das Video zu Good beweist: