Künstler*in | The Duke Spirit | |
Album | Bruiser | |
Label | Fiction | |
Erscheinungsjahr | 2011 | |
Bewertung |
Ein wunderbares Buch habe ich zu Weihnachten geschenkt bekommen. Das Beste an diesem Buch ist, dass man es selbst erst schreiben muss. Es heißt Music Listography, und es enthält knapp 70 Kategorien, in denen man seine liebste Musik eintragen kann. „The saddest songs in the world“ gehören beispielsweise dazu oder „Your favourite live albums“. Und, auf Seite 31: „Your perfect make-out mix tape“.
Die erste Seite dieser Kassette (so etwas soll es ja noch geben) zum ultimativen Rummachen (so etwas soll es ja noch geben) ist ab sofort belegt. Und zwar mit den zwölf Songs von Bruiser. „We still think of ourselves as a rock & roll band, but the emphasis is totally on the roll this time around,“ sagt Toby Butler über das dritte Album von The Duke Spirit. Was er damit meint: Bruiser ist voller Rhythmus und Leidenschaft, und es weiß genau um die Bedeutung der richtigen Balance zwischen Wiederholung und Abwechslung, Sanftheit und Kraft. Bruiser ist Sexmusik.
Die göttliche Liela Moss, die als Sängerin schon in den bisherigen Kapiteln der siebenjährigen Geschichte von The Duke Spirit für eine überdurchschnittliche Dosis Erotik gesorgt hat, habe ich dabei noch nicht einmal erwähnt. Aber sie trägt noch mehr zur Klasse dieses Albums bei als der neue, ebenso reduzierte wie aphrodisierte Sound, den die Band bei der Arbeit an Bruiser (erstmals im eigenen Studio in London) gefunden hat: „We put our songs on a diet, got them lean, mean and hungry sounding“, sagt sie.
Von Lo Fi oder gar akustischem Gewand kann bei The Duke Spirit natürlich weiter keine Rede sein. Liela Moss, Toby Butler, Luke Ford (Gitarre) und Olly Betts (Schlagzeug) stehen auch diesmal für satten Rocksound mit einem Hang zum Hypnotischen. Aber es gibt etwas weniger Instrumente pro Song, und in diesem Umfeld wirkt der Gesang von Liela Moss noch präsenter. Ihre Stimme und ihre Texte prägen die Identität dieser Band mehr denn je. Bestes Beispiel dafür ist der Rausschmeißer Homecoming („All that you could offer me / was the sense that you’d forgotten me“), der beinahe müde beginnt und fast nur Schlagzeug und Gitarre braucht, um unwiderstehlich zu werden und zu einem feurigen Finale hinzuführen.
Im Opener Cherry Tree ist sie in der Strophe eine Sirene und legt in ihren Gesang im Refrain all den trotzigen Stolz der Welt. „I don’t look back / Why would you“, will sie wissen – und fast könnte man das als einen fiesen Abschiedsgruß an Gitarrist Dan Higgins verstehen, der The Duke Spirit nach der letzten Tour verlassen hat.
Procession hat eine ähnliche Aggressivität und baut ebenfalls auf einem Vorwurf auf, in dem doch auch ein Stückchen Zuneigung steckt: “You live like you leading a procession / you talk like you’re bored of making decisions / you walk like you’re made of fast impression / and you take like you stole your every possession”, lautet die erste Strophe, und die Stimme schafft es, diesen Zwiespalt herrlich verführerisch klingen zu lassen.
Auch Villain, das als beinahe harmlose Klavierballade beginnt und sich dann zum Rock-Ungeheuer steigert, ist zum Platzen gefüllt mit dieser Spannung. „I’m a villain in love / You’re a villain alone“, heißt die zentrale Textzeile, die immer wieder verändert phrasiert wird. Später greift auch das abstrakte Sweet Bitter Sweet diese Thematik wieder auf – das Lied ist genauso melancholisch und unbelehrbar wie der Titel und die darauf folgende Zeile „my favourite flavour“ es vermuten lassen.
Auf Tour haben Moss und Butler die Single Don’t Wait geschrieben. „I think we were both asking questions of ourselves in the context of constant travel and displacement. Escapism is just a word, until you find yourself living it! Then the constant leaving and arriving starts to cut really deep“, erklärt Liela Moss – und den Ausdruck darin findet sie abwechselnd in zuckersüßen Schmeicheleien und einem rotzigen Ton, der Liam Gallagher stolz machen würde.
Surrender ist mit seiner Wall Of Sound am nächsten an den Duke Spirit des Debüts, am Ende singt Liela Moss aber plötzlich in einem übertriebenen Cockney-Akzent wie Lena Meyer-Landrut (was zuerst verwirrt, dann aber mächtig klasse wirkt). De Lux ist erstaunlich verletzlich, die Vorab-Single Everybody’s Under Your Spell kokettiert mit Latin-Elementen, auch Running Fire mit seinem plakativen Gitarrenriff zu Beginn und den Shoegaze-Elementen im Gesang wirkt zunächst wie von einer ganz anderen Band. Alles fügt sich aber perfekt in den Kontext von Bruiser ein, sodass am Ende doch wieder die Charakteriserung zutrifft (zumal mit Mark Sallis inzwischen wieder ein Bassist gefunden ist), die Liela Moss einmal für The Duke Spirit festgelegt hat: „Just 5 awesome humans, making a noise.”
Sex, in jeder Hinsicht: The Duke Spirit spielen Don’t Wait bei Later With Jools Holland:
httpv://www.youtube.com/watch?v=YRWbEZa9ar4
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