The Duke Spirit – „Neptune“

Künstler The Duke Spirit

The Duke Spirit lassen keinen Zweifel: Ihr (Meeres-)Gott ist böse.
The Duke Spirit lassen keinen Zweifel: Ihr (Meeres-)Gott ist böse.
Album Neptune
Label You Are Here
Erscheinungsjahr 2008
Bewertung

Die vielleicht berühmteste Neptun-Statue der Welt steht in Rom. Und zwar, wie es sich für den Gott des Meeres gehört, mitten im Wasser. Er thront im Zentrum des Trevi-Brunnens. Sein Blick geht zur Seite, zur Weite des Horizonts, die ihn wohl stets umgibt. Und seine Hüfte umschlingt ein Tuch, das genauso gut das Segel eines Schiffs sein könnte, das er gerade eben hinabgeholt hat in sein Reich. Doch er ist kein Rachegott. Sein Gesicht ist nicht wild verzerrt von Sturm und Gischt, sondern besonnen, majestätisch, fast ein wenig melancholisch.

Kein Wunder: Papst Benedikt XIV. persönlich hatte sich über den ursprünglichen Neptun/Poseidon/Ozeanus beschwert, denn die Figur war für seinen Geschmack zu brutal geworden. Es wurde noch einmal nachgebessert – so entstand vor rund 250 Jahren der Trevi-Neptun, wie wir ihn heute kennen.

The Duke Spirit wären mit dem Papst wohl mächtig aneinander geraten. Denn hört man Neptune, das zweite Album der Band aus London, dann ist ihre Vorstellung vom Meeresgott an Wucht, Bosheit und Urgewalt kaum zu überbieten.

Warum sie ausgerechnet eine Platte, die sie (mit Queens Of The Stone Age-Produzent Chriss Goss) in der Wüste von Kalifornien aufgenommen haben, mit einem maritimen Leitmotiv versehen, bleibt zwar das Geheimnis des Quartetts. Sicher aber ist:  The Duke Spirit kehren mit einer sagenhaft selbstbewussten, reifen Platte zurück. Nach dem bereits äußerst gelungenen Debüt Cuts Across The Land (das viel Lob einbrachte, aber nicht sonderlich oft verkauft wurde, vielleicht wähnt sich die Band auch deshalb nun versunken in die Tiefen des Ozeans) zeigen sie alte Stärken und neue Facetten.

I Do Believe ist zum Auftakt eine schräge Hymne, nur Gesang, eine einzige Zeile immer wieder wiederholt: „I do believe in something you know.“ Man kann das durchaus für den Gesang einer Meerjungfrau halten, die den Hörer mitnimmt in ihr Reich unter Wasser. Das ist keineswegs überinterpretiert, den Meeres-Motive durchziehen das gesamte Album. „You always stir up the sea“, heißt es in You Really Wake Up The Love In Me, im Rausschmeißer Sovereign wird ein Bad genommen, im Grünen, im Freien – und das Ganze klingt dank Schunkel-Rhythmus und einer nicht so recht zu fassenden Sehnsucht nicht nur ein bisschen wie ein Seemannslied.

Dazu kommen die wilde Single Send A Littel Love Token, die am ehesten an die alten Duke Spirit denken lässt, das grandios stürmische Into The Fold und The Step And The Walk, das wie eine subtile Version der White Stripes klingt. Immer steht die Stimme von Liela Moss im Vordergrund. Hatte sie sich auf Cuts Across The Land noch gelegentlich den brachialen Riffs beugen oder gegen den rhythmischen Druck ankämpfen müssen, so darf sie hier voll und ganz regieren, verführen, drohen – und immer wieder mit sich selbst harmonieren wie im tosenden Lassoo.

Das tut Neptune ebenso gut wie die größere Vielfalt an Sounds und Instrumenten. Trompeten sind ebenso zu hören wie ein Klavier, ein Glockenspiel und Streicher. Wooden Heart ist beinahe eine Ballade, wird im Refrain aber verdammt wütend ob der Unmöglichkeit, dem Gegenüber wirklich nahe sein zu können. Unter dem Gitarrenschlick von You Really Wake Up The Love In Me steckt eine erstaunliche rhythmische Verspieltheit.

Und dann sind da ja noch die ganz und gar maritimen Songs. This Ship Was Build To Last ist ein sich ganz langsam aufbauender, unvergesslicher Höhepunkt. Die Gitarren bilden einen Strudel, der Bass entfacht einen Monstersturm, und das Schlagzeug klingt wie die torkelnde Mannschaft an Deck, die sich mit allen Kräften gegen diese immer ungezügelter werdende Urgewalt stemmt. My Sunken Treasure, das beste Stück der Platte, klingt wie ein aus den Tiefen des Meeres geborgener Motown-Klassiker. Schließlich Neptune’s Call, mit irrem Drive, entfesselten Gitarren und einer Unbedingtheit in der Stimme, die sonst niemand derzeit hinbekommt. „Neptune is my king again“, erkennt Liela Moss darin an. Aber sie darf sicher sein: Sie hat ihm einen höllischen Kampf geliefert.

Im Clip zu The Step And The Walk sieht es nicht wie unter Wasser aus. Eher nach zu viel Hitze:

httpv://www.youtube.com/watch?v=UkymJsrUkt0

The Duke Spirit bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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6 Gedanken zu “The Duke Spirit – „Neptune“

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