Künstler | The Horrible Crowes | |
Album | Elsie | |
Label | SideOneDummy | |
Erscheinungsjahr | 2011 | |
Bewertung |
Die Fans von The Gaslight Anthem dürften zu großen Teilen aus zwei Gruppen bestehen. Die erste Gruppe sind Männer um die 41, die schon The ’59 Sound vom Plattenhändler ihres Vertrauens ans Herz gelegt bekamen und beim Hören und dem folgenden Siegeszug der Band aus New Jersey froh waren, dass hier jemand die Fahne der guten, alten, aufrechten Rockmusik hochhält. Die zweite Gruppe sind Jungs um die 14, die American Slang bei MySpace entdeckt haben und beim Hören sofort mitgerissen waren von ihrer ersten Begegnung mit Gitarrenwucht und Kampfgeschrei, mit Punkrock, der etwas bedeutet.
Nun hat Brian Fallon, der Frontmann von The Gaslight Anthem, eine zweite Band. The Horrible Crowes hat er gemeinsam mit seinem Freund Ian Perkins gegründet. Auf ihrem Debütalbum Elsie machen sie gemeinsam Musik, die sich an das erste der beiden Fan-Lager richtet. Und zwar ausschließlich.
Natürlich hört man auch von Brian Fallon die beiden Schwüre, die es in solchen Momenten immer zu hören gibt. Der erste Schwur: The Horrible Crowes bedeuten nicht das Ende von The Gaslight Anthem. Er wolle hier einfach eine andere Seite seines Talents und seiner musikalischen Sozialisation ausleben – selbst ein Mega-Erfolg der Horrible Crowes würde aber niemals The Gaslight Anthem überflüssig machen, betont er: „If this project takes off then we’ll just end up being in two bands I love instead of one.“
Man kann das guten Gewissens glauben. Erstens ist Fallon kein Mann für leichtfertige Versprechungen. Zweitens spielen alle anderen Mitglieder von The Gaslight Anthem auf Elsie auch mit. Und drittens hört man der Platte in jedem Moment an, wie sehr Fallon sich danach gesehnt hat, diese Songs aufzunehmen, die nicht so recht ins Gaslight-Anthem-Oeuvre passen.
„I’ve always wanted to experiment with the darker side of soul music“, erklärt Fallon seine Motivation für The Horrible Crowes, und daraus folgt sogleich der zweite Schwur: „What I’m doing here is so far removed from the stuff we do in Gaslight Anthem. This is a completely different beast.” Das stimmt dann doch nicht so ganz. Zum einen ist da der bereits erwähnte Input der anderen Gaslight-Anthem-Jungs, zum anderen ist Fallons Stimme auch auf Elsie unverkennbar geprägt von Punk und Springsteen. Und nicht zuletzt leben auch die Songs auf Elsie von seiner Inbrunst, dem Ethos dessen, der diese Lieder unter Blut, Schweiß und Tränen geboren hat.
Wer sich zum ersten Lager der Gaslight-Anthem-Fans zählt, wird also durchaus seine Freue an Elsie haben, das nach dem ersten Song benannt ist, den Brian Fallon und Ian Perkins zusammen geschrieben haben (der aber nicht auf dem Album ist). Behold The Hurricane beispielsweise ist recht nahe dran am Sound von Brian Fallons anderer Band, vergleichsweise muskulös und catchy. Auch Go Tell Everybody mit seinem treibenden Schlagzeug und dem kernigen Gesang, die sich zu einem großen Finale steigern, fällt in diese Kategorie.
Anderswo wird deutlicher, warum Brian Fallon für diese Ideen ein neues Vehikel brauchte. Sugar klingt wie U2 ohne Ambitionen (das ist als Kompliment gemeint), in der extrem langsamen Ballade Cherry Blossoms und dem höchst eleganten Black Betty And The Moon offenbart Fallon eine ganz neue Dimension seiner Stimme. Der rührende Rausschmeißer I Believe Jesus Brought Us Together setzt auf einen todtraurigen Drum-Loop, eine Orgel und ein bisschen Klavier. Ladykiller beginnt mit Gelächter im Hintergrund und klingt dadurch fast wie eine spontane Live-Aufnahme. Der Song bleibt entsprechend entspannt – und gewinnt durch diese Lässigkeit fast noch mehr Größe als durch all den Eifer in Brian Fallons Stimme.
Manchmal wird es bei den Horrible Crows sogar richtig experimentell. I Witnessed A Crime setzt auf einen Reggae-Beat und ein Orgel-Riff. Das irre Mary Ann (Brian Fallon: „It’s just madness screamed through a bullet mic“) würde Tom Waits alle Ehre machen.
Das Problem an der Zusammenarbeit von Brian Fallon und Ian Perkins, der hier Bass, Gitarre und Slide-Gitarre spielt, ist die fehlende Aggressivität. Elsie hat durchaus Ecken und Kanten, aber von Punk und seiner Unbedingtheit ist hier keine Spur mehr. Das ist Musik bloß noch für alte Männer, nicht mehr für junge Wilde.
Blood Loss ist ein Beispiel dafür, das reichlich Grandezza zu bieten hat, aber sich eher zum Schunkeln eignet als zum Pogo. Natürlich ist das legitim und gewollt, aber die Vorstellung, dass zur Musik von Brian Fallon plötzlich Feuerzeuge gezückt werden, bleibt trotzdem befremdlich. Vor allem aber fehlt dem Sound der Horrible Crowes das Außergewöhnliche, das The Gaslight Anthem in ihren Songs haben. Viele dieser Stücke könnten auch von den Counting Crows stammen, von den Stereophonics oder einer beliebigen Blue-Rose-Band. Elsie ist deshalb immer solide, aber manchmal nicht mehr als das.
Am deutlichsten wird dieses Problem in Crush. Auch dank der Streicher klingt der Song sehr souverän und erwachsen, aber auch ein bisschen lahm und beliebig. Vor allem aber, spätestens wenn im Break die Textzeile „God’s gonna trouble the water“ erklingt, bieder und rechtschaffen. Und das dürften zwei Attribute sein, die keines der Gaslight-Anthem-Fanlager gerne mit Brian Fallon verbinden möchte.
Immerhin verstehen sie bei aller Rechtschaffenheit noch Spaß: Die Horrible Crowes covern Katy Perrys Teenage Dream live in New York:
httpv://www.youtube.com/watch?v=JYaeuOViEL0
Die Horrible Crows sind nicht bei MySpace, deshalb der Link zu The Gaslight Anthem.
Ein Gedanke zu “The Horrible Crowes – „Elsie“”