The Joy Formidable – „The Big Roar“

Künstler*in The Joy Formidable

"The Big Roar" zeigt: The Joy Formidable sind schon mit ihrem Debüt bereit fürs Stadion.
„The Big Roar“ zeigt: The Joy Formidable sind schon mit ihrem Debüt bereit fürs Stadion.
Album The Big Roar
Label Canvasback
Erscheinungsjahr 2011
Bewertung

Mein Gott, vier Jahre! So lange haben The Joy Formidable für ihr Debüt gebraucht. Seit sich die Band aus Nordwales gegründet hat, sind ganze Genres gekommen und gegangen. Doch Ritzy Bryan (Gesang, Gitarre) und Rhyddian Daffyd (Bass), die sich seit ihrer Kindheit kennen und den Kern der Band bilden, hatten allen Grund dazu, sich so viel Zeit zu lassen.

Zum einen haben The Joy Formidable von Anfang an alles selbst gemacht: die ersten Singles im Sommer 2008, das Mini-Album A Balloon Called Moaning, und dazwischen immer wieder Tourneen, mit denen sie viele treue Fans gewannen. Zum anderen hat sich die Geduld ausgezahlt. The Big Roar, ebenfalls von der Band selbst produziert, ist ein fantastisches Debüt.

The Big Roar ist zudem der perfekte Titel für diese Platte. Denn Gebrüll ist aggressiv, intensiv und kommt aus dem tiefsten Innern – genau wie diese Musik. Zudem muss man bei „Roar“ auch an den legendären „Wembley Roar“ denken, also jene Welle der Begeisterung, die in ganz besonderen Momenten gelegentlich über die Tribünen des altehrwürdigen Wembley-Stadions schwappte. Und The Joy Formidable sind mit dieser Musik definitiv Kandidaten dafür, demnächst ähnlich große Arenen mit genau dieser Begeisterung zu füllen.

Denn nicht zuletzt ist The Big Roar auch ein Dokument von Ehrgeiz und Selbstbewusstsein. Der Opener ist fast acht Minuten lang, und in dieser Zeit entwickelt sich The Everchanging Spectrum Of A Lie von einem wirren Klopfen hin zu einem Finale Furioso. Diese Herangehensweise kann hier durchaus als generelles Konzept gelten: „The Joy Formidable’s template is simple. They create a basic melody that Ritzy Bryan sings with ethereal majesty, and build it upwards into an irresistible, molten-lava crescendo”, hat die BBC ganz richtig erkannt.

The Magnifying Glass hat die wilde Energie der Blood Red Shoes, Austere (eines von vier Liedern, die schon auf A Balloon Called Moaning versammelt waren) entwickelt eine irren Drive, Cradle ist ebenso ungestüm. Wie ein Elefant im Porzellanladen kracht A Heavy Abacus los, dazu klingt etwas wie ein Martinshorn und auch die Stimme von Ritzy Bryan wird zur Sirene. Chapter 2 ist die Verkörperung der Unbedingtheit, die The Joy Formidable zum Prinzip ihrer Musik gemacht haben.

Das Erstaunlichste dabei: Trotz all dieser Wucht sind The Joy Formidable niemals plump oder bloß laut. Sie setzen ihre Virtuosität stattdessen auch ein, um wunderschöne Momente zu schaffen, traumhafte Melodien, einen Unterton von Zerbrechlichkeit wie im geheimnisvollen Zwischenspiel Murayama oder in Llaw = Wall, in dem Rhyddian Daffyd singen darf, bevor sich erst zur Halbzeit des Lieds die ganze Urgewalt der Gitarren Bahn bricht.

The Joy Formidable schaffen es tatsächlich, gleichzeitig Metal und Ambient zu sein, manchmal innerhalb eines Songs. Das betörende Whirring ist so ein Fall: Am Ende dieser Achterbahnfahrt steht die unfassbare Power von Drummer Matt Thomas, der das Schlagzeug zu einem brutalen Riff Amok laufen, Krieg führen und die Welt aus den Angeln heben lässt. Danach kommt bloß noch Feedback und das Rauschen der Verstärker – es klingt, als müsse die Band nach diesem Trip erst selbst wieder zur Besinnung kommen. Doch trotz dieser Unerbittlichkeit ist Whirring auch sagenhaft catchy, und sogar sphärisch.

Sängerin Ritzy Bryan führt das auf die Geschichte des Trios zurück, auf das schrittweise Wachsen innerhalb von vier Jahren. „We’d always been into writing strong melodies“, erklärt sie. „The sparks really flew when we started messing with things that were choral and symphonic, mixed with what both of us had already enjoyed separately: dirty, loud, rhythmic guitars and thick bass-lines.“

Der epische Rausschmeißer The Greatest Light Is The Greatest Shade hat die verwunschene Eleganz von The Duke Spirit und wird damit zum perfekten Schlusspunkt für The Big Roar. „Here, you see, is a band that have ended up sounding stadium-ready by default; their music may be massive but the intentions and emotions beneath it are firmly rooted in the ground”, lautet das treffende Fazit des NME. Damit lassen The Joy Formidable eigentlich nur einen Wunsch offen: Bis zum nächsten Album soll es bitte nicht noch einmal vier Jahre dauern.

Nach dem Dreh zu Cradle war dem Kameramann garantiert schwindlig. Und das liegt nicht nur daran, dass er die ganze Zeit auf einer Schaukel sitzen musste:

httpv://www.youtube.com/watch?v=W66yhfMb4d0

The Joy Formidable bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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