The Juan Maclean – „Everybody Get Close“

Künstler The Juan Maclean

„Everybody Get Close“ versammelt einige Nebenwerke von The Juan Maclean.
Album Everybody Get Close
Label DFA
Erscheinungsjahr 2011
Bewertung

Eine ganze Weile wirkt Everybody Get Close wie eine Zeitreise. Und zwar nicht in die Zukunft, sondern zurück in die Entwicklungsgeschichte der elektronischen Musik, Evolutionsstufe für Evolutionsstufe.

Schon der Ausgangspunkt befindet sich nicht im Hier und Jetzt. Stattdessen wirkt der Opener Find A Way mit seiner 1990er-Jahre-Ibiza-Heiterkeit, dem Pianoriff, dem Pseudo-Slogan im Refrain („You’ve got to find a way / every night and day“) und dem Call-And-Response-Gesang von Juan Maclean mit seiner Bandkollegin Nancy Whang fast wie eine Persiflage auf eine vergangene Epoche des House.

Dann geht es noch weiter zurück. Let’s Talk About Me scheint der Zeit von The Shamen oder KLF entsprungen. Das Rezept heißt hier: Ein möglichst monotoner Beat trifft auf einen möglichst abwechslungsreichen Bass und ein möglichst irres Drumherum, dazu wird eine Soulstimme durch den Wolf gedreht.

Human Disaster scheint dann noch weiter in die Vergangenheit einzutauchen, mit einer Ahnung von New Order, ganz viel Human League und den alten Synthie-Sounds von West End Girls. Doch dann machen ein paar Klavierakkorde und eine tolle Stimme daraus plötzlich einen ganz klassischen und sehr modernen Housetrack, zu dem sich dann noch sehr feine Percussions und ein G-Funk-Orgelsolo gesellen.

Die Verwirrung ist nicht verwunderlich, denn Everybody Get Close ist kein normales Album. Stattdessen versammeln The Juan Maclean auf diesem nur digital erhältlichen Werk einiges, was in den vergangenen Monaten (neben ihrer Zusammenarbeit etwa mit Holy Ghost oder Shit Robot) entstanden ist, aber bisher nicht oder kaum regulär verfügbar war. Feel So Good war beispielsweise schon enthalten auf ihrer Variante der DJ Kicks, erschienen 2010. Fünf der Tracks gab es schon auf der EP Find A Way, die nur bei Konzerten von The Juan Maclean verkauft wurde. Dazu kommen drei Remixes. Das bereits erwähnte Human Disaster ist gleich zweimal vertreten: In der eben beschriebenen Version von Holmes Price und gegen Ende des Albums im Jay Dee Remix, der gleichzeitig berauscht und verkatert daher kommt, wie eine etwas derangierte und balearische Ausgabe der Klaxons.

Everybody Get Close zeigt, wie innig The Juan Maclean die elektronische Musik lieben, und wie filigran sie mit ihren Möglichkeiten umgehen. Die Ergebnisse sind aus Sicht des Hörers nicht immer zwingend, aber stets bleibt erkennbar, worin die Faszination aus Sicht des Machers lag. Immer wieder erkennt man, wie detailverliebt diese Lieder entwickelt sind, wie sie von Kleinigkeiten und winzigen Variationen profitieren. Deviant Device beispielsweise ist im gleichen Maße stoisch wie spannend – ein Track, der sich quasi in sich selbst vortastet. Auch When I’m With You bleibt instrumental und baut ganz viel Comic-Spaßigkeit im Stile der Gorillaz rund um ein Bass-Riff auf. The Robot klingt später, als würden The Juan Maclean einfach bloß ihre Geräte hochfahren – und die freuten sich mächtig, endlich wieder eingesetzt zu werden.

Feel So Good hat von Anfang an einen energischen Rhythmus, der den Song trotzdem immer weiter nach vorne (oder besser: nach oben) treibt. Wenn nach zweieinhalb Minuten die Stimme von Nancy Whang einsetzt, wird daraus endgültig ein einziger Rausch, und als das Stück nach mehr als zehn Minuten endet, ist man beinahe geschockt, dass davon nur ein recht plumper Beat übrig bleibt.

Happy House klingt im Cut Copy Remix sonnig, unbeschwert, sexy und der Welt entrückt – also genau so, wie man sich auf einer Tanzfläche fühlen will. X2 wird mit einer tiefen Stimme und den Fetzen eines zu Tode erschrockenen Kinderchors verdammt bedrohlich. Am Ende steht sehr funky Everybody Get Close mit einer Vocoderstimme, etwas, das wie eine Marimba klingt, und etwas, bei dem man wetten möchte, dass es ein echtes Schlagzeug ist. Das macht, auch auf Albumlänge, großen Spaß und ist ein sehr netter Service am Fan.

The Juan Maclean machen aus The Double Door in Chicago ein Happy House:

httpv://www.youtube.com/watch?v=8rEgNKBZggg

The Juan Maclean bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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