Künstler | The Kills | |
Album | Blood Pressures | |
Label | Domino | |
Erscheinungsjahr | 2011 | |
Bewertung |
So kann sich ein Nebenprojekt also auch auswirken. Als Jack White neben den Raconteurs (und seiner Tätigkeit als Boss bei Third Man Records, als Komponist für Coca-Cola-Werbespots und James Bond-Soundtracks, als Kinoheld in It Might Get Loud und als Undundund) Anfang 2009 auch noch The Dead Weather ins Leben rief, da war dies gleichbedeutend mit dem Tod der White Stripes – der Band, die ihn zum wichtigsten Rockstar des vergangenen Jahrzehnts gemacht hat.
White stellte schlicht fest, dass es ihm viel zu großen Spaß macht, auf ganz vielen Hochzeiten zu tanzen. Künftig bei den White Stripes einfach bloß noch Gitarre und Gesang beizusteuern – das musste wie ein Rückschritt erscheinen, wie ein Korsett. Vor acht Wochen gab er deshalb das Ende der Band bekannt.
Für Alison Mosshart hingegen könnte der Nebenjob bei The Dead Weather, wo sie die Sängerin gab, einen umgekehrten Effekt haben: Geadelt durch die Zusammenarbeit mit Jack White hat die Amerikanerin deutlich an Prominenz gewonnen. Und davon könnten nun auch The Kills profitieren – die Band, die sie auch nach drei Alben in sechs Jahren nur zu einer halbwegs bekannten Rock-Frontfrau gemacht hat.
Blood Pressures, das gerade erschienene vierte Album von The Kills, hat in jedem Fall das Zeug dazu, all jene zu begeistern, die neuerdings etwas mit dem Namen Alison Mosshart anfangen können – und all jene, die einfach wuchtige, ursprüngliche Rockmusik mögen.
Future Starts Now heißt dann auch ganz programmatisch das erste Lied. Das Stück ist unterschwellig aggressiv, der Gesang wie abgehackt, die Gitarren wie frisch über den Wetzstein gezogen, das Schlagzeug tonnenschwer. So geht es weiter auf diesen elf Liedern: Blood Pressures ist düster, vielschichtig – und die Gitarren und Stimmen von Alison Mosshart und ihrem britischen Kills-Partner Jamie Hince klammern sich stets so eng aneinander wie zwei Erfrierende.
Songs wie Damned If She Do, das auch von Garbage stammen könnte, oder Heart Is A Beating Drum, das an Duke Spirit erinnert, lassen neue Dimensionen im Kills-Sound erkennen. Mit Wild Charms träumt sich Hince kurz in die Rolle als John Lennon. Satellite (natürlich kein Lena-Cover) wird zum Space-Blues mit Gefangenenchor, Nail In My Coffin ist äußerst sexy und einladend.
In The Last Goodbye singt Alison Mosshart plötzlich ganz ohne Verzerrung und großes Beiwerk. Ihre Stimme klingt dann wie die einer großen Country-Heldin, also nach all den reifen Damen, die Jack White so sehr verehrt: Emmylou Harris, Tammy Wynette, Wanda Jackson. Das zeigt, wie sehr die Musik der Kills bei aller Modernität in der Tradition verankert ist. Sie nehmen die wirkungsvollsten Zutaten des Rock – und sonst nichts.
Auch diese Sparsamkeit und Konzentration teilen The Kills mit den White Stripes, am deutlichsten wird das in DNA – träge, geheimnisvoll und beängstigend wie Das Ding aus dem Sumpf. Mit einem Sound wie die Rolling Stones in den 1970ern stützt auch Baby Says diese Argumentation, Pots And Pans hat als Rausschmeißer all die Ursprünglichkeit, die auch Jack & Meg zu ihrem Markenzeichen gemacht haben. Das brachiale You Don’t Own The Road könnte man sich auch gut von Gossip vorstellen.
Das einzig Ärgerliche an den Post-Dead-Weather-Kills ist die Befürchtung, dass Jamie Hince als zweiter Teil des Duos nun allzu sehr in den Hintergrund gedrängt werden könnte. Doch er hat hinsichtlich seiner Mindestdosis an Rampenlicht bereits vorgesorgt: Seine Verlobte ist eine gewisse Kate Moss.
Beim Video zu Satellite führte Sophie Muller Regie – und sie wählte eine ähnlich düstere, geheimnisvolle Ästhetik wie sie auch Blood Pressures hat:
httpv://www.youtube.com/watch?v=0S9vgTMUkhE
Eine leicht gekürzte Version dieser Rezension gibt es auch bei news.de.