Künstler | The Leisure Society |
Album | Into The Murky Water |
Label | Full Time Hobby |
Erscheinungsjahr | 2011 |
Bewertung | ***1/2 |
Eins ist gewiss: Guido Westerwelle ist kein Fan. „The Leisure Society“, das klingt schließlich nach römischer Dekadenz. Nach anstrengungslosem Wohlstand. Nach Schlaraffenland.
Ein bisschen trifft das auch auf die Musik von The Leisure Society zu. Denn diese Lieder klingen nicht nur mondän, elegant und tiefenentspannt. Der Sound des Oktetts aus Burton upon Trent stammt auch aus der Ära der Vollbeschäftigung. „The past is so seductive“, räumt Sänger Nick Hardy dann auch prompt im epischen I Shall Forever Remain An Amateur ein.
Folk-Altvater Richard Thompson hat die Band zu seinem Meltdown-Festival eingeladen, weitere Bezugspunkte sind Tim Buckley (die Opulenz), Love (die Theatralik) und die Beatles (die Liebe zum Detail). Wer es ein bisschen zeitgenössischer mag, darf gerne auf die Fleet Foxes oder Belle & Sebastian verweisen. Die Kritiker sind außer sich vor Begeisterung: Das Debütalbum The Sleeper wurde unter anderem zum Rough Trade Album Of 2009 und von iTunes zur besten Singer-Songwriter-Platte des Jahres gekürt. Die Debütsingle The Last Of The Melting Snow war vor zwei Jahren gar für einen Ivor-Novello-Award nominiert.
Die Messlatte liegt also hoch für den Nachfolger Into The Murky Water. Doch Nick Hemming und Christian Hardy, die Köpfe der Leisure Society, haben gar kein Problem damit. Den Titel (und das Taucher-Motiv auf dem Cover) darf man dabei durchaus wörtlich nehmen: Hals über Kopf stürzen sie sich in das Meer der musikalischen Möglichkeiten. Into The Murky Water ertrinkt dann auch fast in wunderhübschen Melodien, Stil und Finesse.
The Leisure Society laden zum Walzer (Although We Are All Lost), jagen einen Springinsfeld durch den Sommer (This Phantom Life) und können auch gut gelaunte Countrynummern (Better Written Off). Der Titelsong zum Beginn vereint Kammermusik mit Sixties-Seligkeit, danach entwickelt Dust On The Dancefloor den dezenten Drive, den man auch an Belle & Sebastian so schätzt. Vampire Weekend könnten selbst in ihren schicksten Flip Flops nicht leichtfüßiger daher kommen als You Could Keep Me Talking.
„Wir haben uns über jedes Fiepsen, jedes kleinste Geräusch so lange den Kopf zerbrochen, dass es irrsinning ist“, sagt Christian Hardy über die Entstehung von Into The Murky Water. Man hört der Platte diese Detailversessenheit an – und doch ist das Album in keinem Moment verkopft oder sperrig. Allerdings hat dieses Ausmaß an Elaboriertheit auch zur Folge, dass The Leisure Society hier durchweg wie ein verschworener, selbstvergessener Zirkel klingen, der den Zuhörer fasziniert, jedoch niemals in seine Mitte lässt. Doch das ist wirklich der einzige Vorwurf, den man dem Album machen kann – und mitunter ist es ja auch schöner, staunend am Strand zu stehen, während sich die anderen im finsteren Wasser tummeln.
Hatte ich schon die Sixties erwähnt? Im Video zu This Phantom Life finden The Leisure Society ihren Guru:
httpv://www.youtube.com/watch?v=Y8HAmWbqgvs
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