The Lumineers – „The Lumineers“

Künstler The Lumineers

Mumford & Sons auf echt Amerikanisch - so könnte man The Lumineers zusammenfassen.
Mumford & Sons auf echt Amerikanisch – so könnte man The Lumineers zusammenfassen.
Album The Lumineers
Label Dualtone
Erscheinungsjahr 2012
Bewertung

Preisfrage: Wie klingt die Musik einer Band, die entstand, als der beste Freund des Sängers und Bruder des Schlagzeugers im Alter von 19 Jahren an einer Überdosis starb, die per Kleinanzeige nach einem Cellisten sucht und die einen Song namens Dead Sea in ihrem Repertoire hat?

a) wie Katy Perry, nur bunter

b) wie DJ Ötzi, nur lauter

c) scheißtraurig

Richtig. The Lumineers, das in den USA schon im April veröffentlich wurde (Platz 11 in den Charts, Goldstatus und zwei Grammy-Nominierungen sprangen dabei heraus), ist ungefähr das Gegenteil einer Partyplatte. Es gibt stattdessen viel Liebes- und anderen Kummer. Das Wunderbare dabei ist die Form, die Sänger Wesley Schultz, Drummer Jeremiah Fraites (beide aus New Jersey, mittlerweile aber in Denver zuhause) und Multi-Instrumentalistin Neyla Pekarek (sie war es, die sich auf die Kleinanzeige gemeldet hat) dafür gefunden haben: feine, unprätentiöse, leidenschaftliche Americana-Klänge.

Eigentlich müsste man den Lumineers vorwerfen, sie würden schamlos Mumford & Sons nachahmen, wenn die nicht ihrerseits all die amerikanischen Vorbilder in ihrem Sound verschmolzen hätten, die auf diesem Debütalbum ebenfalls Pate standen. Flowers In Your Hair könnte am Beginn des Albums als Track von Bob Dylan durchgehen, in Classy Girls wird der Gesang danach noch ein bisschen gewagter, kaputter und weiser, bis im Refrain die typische Mumford & Sons-Dramaturgie greift: Steigerung, Feuer und 2/4-Takt. Fast möchte man wetten, dass Wesley Schultz gleich „I will wait, I will wait for you“ singen wird.

Das vom Klavier getragene Submarines ist etwas abstrakter und findet damit so etwas wie die Mitte zwischen den Cold War Kids und Clap Your Hands Say Yeah. Big Parade ist extrem reduziert und zugleich so souverän, wie das eigentlich nur Altmeister wie Bob Dylan, Tom Petty oder Bruce Springsteen hinbekommen. Der wichtigste Bezugspunkt kommt aber aus Jacksonville: Das bereits erwähnte Dead Sea klingt, als würde Ryan Adams nur mit seiner Gitarre und gebrochenem Herzen (und ein bisschen Schlagzeug) durch Nashville ziehen. Slow It Down klingt dann wenig später so, als würde Ryan Adams nur mit seiner Gitarre und gebrochenem Herzen (und zwei Flaschen Whiskey) in seinem Schlafzimmer heulen.

Das ist alles denkbar klassisch, aber auch genau so gewollt. “Wir erfinden das Rad nicht neu. Die Songs sind extrem einfach, die Ideen sind sehr einfach. Jeder, der ein Instrument beherrscht, kann einen Lumineers-Song spielen. Aber ich denke, unsere Musik hat ein ganz besonderes cinematisches Flair”, sagt Schlagzeuger Jeremiah Fraites. Am deutlichsten wird das in Flapper Girl, dessen Melodie beinahe Revue-Charakter hat. Auch der Morning Song ganz am Ende des Albums passt zu dieser Umschreibung, denn er klingt episch und groß – und muss das letzte Lied sein, weil die Band hier wirklich alles reinlegt, was in ihr steckt.

Bei aller Melancholie und aller Intensität wird The Lumineers aber niemals niederschmetternd. Charlie Boy beispielsweise ist so aufrichtig verloren wie die schönsten Momente der Band Of Horses. Trotzdem steckt auch mindestens ein Fünkchen Hoffnung in dem Lied. Und dann ist da ja noch Ho Hey, der Song, der den Lumineers den Durchbruch beschert hat. Zu so etwas wie einer Countryballade schreit da jemand im Hintergrund immer abwechselnd „Ho“ und „Hey“, und diese Ausgelassenheit wird dann im tollen, packenden, entwaffnenden Refrain noch gesteigert. „I belong to you / You belong to me / You’re my sweetheart“ lautet der Text dazu. Könnte doch fast von Katy Perry stammen, oder?

Das Video zu Ho Hey lässt vermuten, dass The Lumineers doch nichts gegen Party haben. Und zwar bevorzugt in Kraftklub-Outfits:

httpv://www.youtube.com/watch?v=zvCBSSwgtg4

Im Frühjahr sind The Lumineers übrigens für vier Konzerte in Deutschland:

27.02.2013 Köln | Luxor
28.02.2013 Berlin | Postbahnhof
02.03.2013 München | Muffathalle
04.03.2013 Hamburg | Grünspan

Homepage der Lumineers.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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