The Pigeon Detectives – „Up, Guards And At ‚Em!“

Künstler The Pigeon Detectives

Mit "Up Guards And At 'Em" wollen die Pigeon Detectives Kritikerlieblinge werden.
Mit „Up Guards And At ‚Em“ wollen die Pigeon Detectives Kritikerlieblinge werden.
Album Up, Guards And At ‚Em!
Label Dance To The Radio
Erscheinungsjahr 2011
Bewertung

Erwartungen sind eine wichtige Sache. Sie machen das Leben leichter. Es ist schön, wenn man nicht vor jeder Tür rätseln muss, was sich wohl dahinter verbirgt. Spaziert man zum Beispiel in ein McDonald’s-Restaurant, kann man einigermaßen sicher sein, dort deftig satt zu werden, mit einem Big Mac, der nach Big Mac schmeckt und der uralten Frage, ob man nicht vielleicht doch ein Sparmenü möchte. Geht man in eine H&M-Filiale, findet man schicke, günstige Klamotten und jede Menge Teenager. Und schaltet man RTL2 ein, flimmert einem mit hoher Wahrscheinlichkeit Trash-Unterhaltung entgegen.

All das ermöglicht Orientierung. Es wäre ein ziemlicher Schock, wenn bei McDonald’s plötzlich Haute Cuisine serviert, bei H&M nur noch Arbeitsschutzkleidung verkauft und bei RTL2 nur noch Programm gesendet würde, das mindestens mit einer ganzen Palmenplantage in Cannes ausgezeichnet wurde.

So ähnlich verhält es sich aber mit Up, Guards And At ’Em!, dem dritten Album der Pigeon Detectives. Die Band aus Yorkshire hatte mit Wait For Me (2007) und Emergency (2008) in England mächtig abgesahnt: Mehr als 500.000 verkaufte Exemplare, fünf Singles in den Top40. Die beiden Platten hatten ihnen aber auch reichlich Häme eingebracht. Die Pigeon Detectives galten als Prototyp für dumme Texte, eine leicht durchschaubare Hit-Masche, für chart-kompatiblen Indie-Rock von der Stange. Für viele Kritiker waren sie der Triumph des Effekts über den Geschmack.

Das hat Spuren hinterlassen. Anderthalb Jahre haben die Pigeon Detectives an Up, Guards And At ’Em! gearbeitet – eine unfassbar lange Zeit im Vergleich zu den beiden Schnellschüssen zuvor. „The first album felt like a collection of singles and the second one was more a case of putting out what we had at the time“, sagt Sänger Matt Bowman. “This time, there was a lot more quality control. We wrote 40 songs, got rid of 20, recorded 20 and then chose the best 10. It’s a real album rather than just a collection of songs.”

Er hat definitiv Recht. Up, Guards And At ’Em! ist um ein Vielfaches geschlossener, abwechslungsreicher und komplexer als seine beiden Vorgänger. Das ist ein nicht zu verkennender Versuch, es den Kritikern zu beweisen: In uns steckt eine echte Band, mit Potenzial, Talent, sogar Anspruch. Das bezieht sich auch auf die Texte. Mit dem leidenschaftlichen What You Gonna Do? liefert das Quintett einen Song, der die Folgen der Finanzkrise thematisiert. Und Turn Out The Lights hat zwar eine Strophe, die auch von der Bloodhound Gang stammen könnte, wartet aber auch mit einem Bob-Dylan-Zitat auf. Das alles ist, in jedem Fall, eine Überraschung.

Schon der Opener She Wants Me lässt aufhorchen. Es gibt hier nicht die gewohnte volle Breitseite, sondern einen Song, den man fast subtil nennen könnte. Das Stück ist durchaus eingängig (wie man das von den Pigeon Detectives kennt), aber in keiner Weise plakativ (was bisher stets ein Markenzeichen der Pigeon Detectives war). Das dramatische What Can I Say profitiert von der gekonnten Gitarrenarbeit von Oliver Main und Ryan Wilson, die sich diesmal mehr an Bloc Party oder den Good Shoes zu orientieren scheinen als an den Ramones oder Kaiser Chiefs. An vielen anderen Stellen schimmert der Einfluss der Strokes durch (kein Wunder: Up, Guards And At ’Em! wurde in New York aufgenommen). Der Rausschmeißer I Don’t Know You setzt auf Orgel-Klänge, Breakbeats, Slide-Gitarre und verzerrten Gesang.

Das Blöde daran: Mit der Wandlung und Weiterentwicklung haben sich die Pigeon Detectives ihrer größten Stärke beraubt. Nichts zündet sofort, Up, Guards And At ’Em! hat schlicht und ergreifend keine Hits zu bieten, und schon gar keine Kracher, die in einer Liga mit ihren Großtaten Take Her Back oder Romantic Type spielen könnten. Das nette Need To Know This hat zwar einen soliden Wombats-Refrain, aber keinerlei Wucht. Auch die Single Done In Secret sucht fast vier Minuten lang vergeblich nach einem Killer-Moment und ersetzt Begeisterung dann kurzerhand durch Wiederholung.

Für die Pigeon Detectives ist Up, Guards And At ’Em! definitiv ein Fortschritt, vielleicht ist das dritte Album für sie sogar der Schlüssel dazu, den Status als verlässliche, aber etwas peinliche Festival-Spaß-Lieferanten hinter sich zu lassen. Für die meisten Fans wird die Platte aber eine Enttäuschung sein. Genauso, wie wenn man zu McDonald’s geht wegen all der herzhaften Verlockungen, die dort geboten werden – und dann bloß einen Salat isst.

Englishmen in New York: Das Video zu She Wants Me zeigt die Pigeon Detectives im Studio:

httpv://www.youtube.com/watch?v=zqi_6veJmG0

The Pigeon Detectives bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.