Künstler | The Rapture | |
Album | In The Grace Of Your Love | |
Label | DFA | |
Erscheinungsjahr | 2011 | |
Bewertung |
„Die Menschheit nimmt sich selbst zu ernst. Das ist die Erbsünde der Welt.“ Natürlich hat Oscar Wilde mit dieser Zeile aus dem Dorian Gray wieder einmal recht. The Rapture scheinen ihn für ihr viertes Album erhört zu haben. Denn die größte Stärke von In The Grace Of Your Love ist der ironische Umgang der New Yorker mit ihrem eigenen Status als Pioniere, Retter, Ikonen, als Dance-Punk-Götter.
Das vielleicht beste Beispiel dafür ist bezeichnenderweise der Titelsong. Eine ganz einfache Bass-Drum ist zu hören, dazu gesellt sich ein Sound wie aus einem Nasa-Gameboy und ein funky Bass. Man erwartet nun etwas Plakatives, eine Hookline, eine Sirene oder einen Monsterbeat. Aber was erklingt? Eine komplett kaputte Gitarre. Dann legt das Schlagzeug los – bleibt aber im Hintergrund. Ohne dass man es merkt, schleicht sich ein Break mit ganz viel Dramatik und etwas Ähnlichem wie einer singenden Säge an. Gespenstisch – und verdammt clever.
Es gibt noch mehr Belege dafür. In Come Back To Me wird tatsächlich ein Akkordeon eingesetzt, das Ergebnis klingt wie die Schnittmenge aus Bonaparte und Lady Gagas Alejandro. Als Prototyp des The-Rapture-Sounds könnte Never Gonna Die Again durchgehen. Doch als man beinahe darauf wetten möchte, dass gleich die berühmte Kuhglocke erklingt, die zu Beginn ihrer Karriere ein Markenzeichen von The Rapture war, kommt sie natürlich nicht, dafür übernehmen Kastagnetten das treibende Element. Roller Coaster erlaubt sich zu Beginn eine Guns’N’Roses-Gedächtnis-Gitarre und in der Single How Deep Is Your Love reicht ein einziges Piano-Riff, um aus dem Song einen sechseinhalbminütigen House-Kracher zu machen.
Dass The Rapture mit In The Grace Of Your Love erstmals ein Album bei DFA veröffentlichen – der Plattenfirma, die ihre bahnbrechenden ersten Singles herausgebracht hat –, hätte kaum besser passen können. Denn das James-Murphy-Label ist seit Jahren Garant für Tanzmusik, die reichlich Schwung in die Füße bringt, aber auch für das andere Ende des Körpers etwas zu bieten hat. Und In The Grace Of Your Love ist definitiv eine Platte, die in den Clubs ebenso wie zuhause über Kopfhörer gefallen dürfte.
Von der ersten Sekunde an ist das Album packend, Sail Away legt mit ebenso viel Energie wie Leidenschaft los. Auch Miss You mit seinem fast hysterischen Refrain und der beinahe militärischen Strenge im Rhythmus verströmt diese leicht exaltierte Dramatik, die an den Talking Heads geschult ist und auf In The Grace Of Your Love immer wieder auftaucht. Blue Bird lässt an noch eine weitere New Yorker Band denken: Der Beat ist Punk, der Gesang ist Bubblegum – The Drums lassen grüßen.
Zwei richtige Kracher gibt es noch auf In The Grace Of Your Love, das mit Produzent Phillip Zdar (Phoenix, Beastie Boys) in Paris und Brooklyn aufgenommen wurde. Children ist ein Hit, mit derselben Mischung aus Melancholie und Extase wie sie MGMT mit Time To Pretend hinbekommen haben. Und ganz am Ende von In The Grace Of Your Love liefern The Rapture noch einmal eine Überraschung. It Takes Time To Be A Man klingt, als würden The Strokes (ich weiß: schon wieder New York) und The Roots versuchen, gemeinsam einen modernen Soulklassiker zu schreiben. Über einem Hip-Hop-Beat, einem heiteren Klavier und einer dezenten E-Gitarre singt da Luke Jenner, dessen Stimme ohnehin so etwas wie der heimliche Star dieser Platte ist, von der Hoffnung. Wenn sich dann auch noch ein Halleluja-Chor und ein Saxofon dazugesellen, darf man sicher sein: Von Ironie ist hier keine Spur. Aber ein Lächeln zaubert einem dieses Lied trotzdem aufs Gesicht.
Breakdance, Baby! Im Video zu How Deep Is Your Love wird fleißig gebattlet:
httpv://www.youtube.com/watch?v=YRSe-V28Mmk
2 Gedanken zu “The Rapture – „In The Grace Of Your Love“”