The Sounds – „Something To Die For“

Künstler*in The Sounds

"Something To Die For" hat viel Elektronik - und noch mehr Ehrgeiz.
„Something To Die For“ hat viel Elektronik – und noch mehr Ehrgeiz.
Album Something To Die For
Label Side One Dummy
Erscheinungsjahr 2011
Bewertung

Ich mag The Sounds. Sogar sehr. Wie jeder Mann, der Augen hat, bin ich ein bisschen in Maja Ivarsson verknallt, die laut Blender Magazine offiziell „hottest woman in rock“ und, wie die Plattenfirma sich seltsamerweise mitzuteilen bemüßigt fühlt, „das Gesicht der 2011er Kampagne von Sebastian Professional Haircare“. Wie jedermann, der Ohren hat, liebe ich ihre Lieder, packend, eingängig, stets extrem stilsicher balancierend auf der extrem scharfen Kante zwischen Unschuld und Gefahr. Und wie jeder Mensch, der Geschmack hat, schätze ich natürlich auch ihr Image als trojanisches Pferd des Pop: The Sounds passen ins Radio und zu Fashion-Shows, sind im Kern aber Rebellen, sogar subversiv (wer das nicht glaubt, der hätte bloß mal sehen sollen, mit welcher Hingabe NOFX-Sänger Fat Mike im vergangenen Jahr beim Highfield-Festival während der Show von The Sounds am Bühnenrand mitgetanzt hat).

Ich mag auch meinen Job. Als Journalist (auch) über Musik zu schreiben, bringt ein paar nette Privilegien mit sich. Man kann die Helden seiner Teenager-Zeit zum Interview treffen. Man kann sich mit eigenen Augen davon überzeugen, wie langweilig es backstage bei Festivals zugeht. Und man bekommt seine Lieblings-CDs manchmal schon ein paar Wochen vorab geschickt. So wie Something To Die For, das vierte Album der Sounds. Am Freitag ist es erschienen, ich habe es zuvor und seitdem durchaus oft gehört. Und muss nun erkennen, dass mein Job auch fiese Eigenschaften mit sich bringt. Man muss zum Beispiel Sätze schreiben, die man nicht mag. Sätze wie diesen: Something To Die For ist nicht besonders gut.

Ich hatte gehofft, die Platte würde vielleicht besser, wenn man sie öfter hört und besser kennt. Ich habe versucht, sie richtig laut zu hören. Ich habe ihr eine Chance gegeben, als draußen schönster Sonnenschein war. Aber es hat nicht funktioniert.

Das Problem ist dabei gar nicht, dass das Quintett aus Malmö auf Something To Die For deutlich mehr auf Elektronik setzt. Diese Elemente schimmerten bei The Sounds schon immer durch, und jetzt nach drei Alben den Fokus ein wenig zu verschieben und diese Vorliebe richtig auszuleben, ist nur nachvollziehbar. „Wir haben uns von jeher für Electro interessiert“, bestätigt Keyboarder Jesper Anderberg. „Das war für viele von uns überhaupt der erste Grund, Musik zu machen, und dem wollten wir diesmal Rechnung tragen.“

Die Momente, in denen Beats und Synthies regieren, gehören dann auch zu den reizvollsten auf Something To Die For. Zum Auftakt meint man kurz, man habe versehentlich eine CD von Faithless eingelegt (It’s So Easy). Manchmal klingen The Sounds, als hätten Does It Offend You, Yeah? ein altes Stück von Depeche Mode remixt (Better Off Dead).

Viel eher scheint die Ursache für die Enttäuschung im unbedingten Willen der Band zu liegen, autonom zu bleiben. Nachdem sie den Vorgänger Crossing The Rubicon schon auf dem eigenen Label veröffentlicht hatten, haben The Sounds diesmal gleich den gesamten Aufnahmeprozess in die eigenen Hände genommen. Das heißt: Alles wurde selbst geschrieben, im eigenen Studio aufgenommen und von der Band selbst produziert. „Wir sind erstaunlich gut zusammengewachsen und wir wissen genau, was wir wollen. Warum also sollen wir da andere Leute engagieren? Wir kennen uns gegenseitig schließlich am besten“, erklärt Gitarrist Felix Rodriguez die Idee dahinter.

Doch gerade im Fehlen eines Korrektivs von außen scheint der Schlüssel dafür zu liegen, dass Something To Die For nicht das Killer-Album geworden ist, das es hätte sein können. Ein Produzent, der nicht zur Band gehört, hätte vielleicht darauf hingewiesen, dass dem Album schlicht noch ein paar Hits fehlen. Der Titelsong ist ein Volltreffer. Bei Dance With The Devil gelingt die Kombination aus alten und neuen Sounds am besten – auch wenn die Männerstimme ein bisschen klingt wie der Typ von Aqua einst bei Barbie Girl. Doch sonst hat das Album nichts zu bieten, was sofort zündet.

Ein erfahrener Profi hätte The Sounds vielleicht auch ermutigen können, die neue Richtung wirklich konsequent zu gehen. Denn bei einigen Liedern ist der Elektro-Flirt nur halbherzig, als wage es die Band doch nicht, die vertrauten Sounds-Elemente über Bord zu werfen. The No No Song ist so ein Fall, der viel zu offensichtlich eingängig sein will.

Ausgerechnet durch den Versuch, alle Fäden in der Hand zu halten, haben die Sounds hier an manchen Stellen schlicht ihre Identität verloren. Diana, noch so ein misslungener Rocker, klingt wie The Virgins, wenn denen keine guten Refrains mehr einfallen. Yeah Yeah Yeah hat die kokette Aggressivität in der Stimme und das unerschütterliche Selbstbewusstsein im Beat, wie man das an den Sounds schätzt, lebt beides aber dermaßen plump aus, dass dies auch ein Stück von Katy Perry oder Lady Gaga sein könnte. Auch der Glam-Rock von Let Them Tear Us Apart wirkt etwas gezwungen und deshalb unglaubwürdig – Avril Lavigne wäre freilich dankbar für so ein Lied. The Best Of Me entwickelt sich nach einem Intro, das wie Muse klingt, dann sogar zu trägem Pop im Stile von Amy Macdonald.

Natürlich ist Something To Die For unterm Strich noch solide. Doch auch der Rausschmeißer Wish You Were Here zeigt, dass das Album eine verschenkte Chance ist. In der zauberhaften Ballade passt alles, der Gesang ist erst nur geflüstert, am Ende wird bloß noch gesummt. Dazu ein bisschen Picking auf der akustischen Gitarre und ein paar sehnsuchtsvolle Feedbacks im Hintergrund, fertig ist der betörendste Song auf dieser Platte. Wish You Were Here hat die Elemente im richtigen Gleichgewicht, die an vielen anderen Stellen hier leider im Missverhältnis zueinander stehen: ganz viel Inspiration, überhaupt kein Kalkül.

Something To Die For, offensichtlich irgendwo live in Deutschland gespielt. Denn wer genau hinhört, entdeckt jemanden, der im Publikum nach 53 Sekunden „Du geile Sau“ schreit:

httpv://www.youtube.com/watch?v=WCICiaxDbAg

The Sounds bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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3 Gedanken zu “The Sounds – „Something To Die For“

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