Künstler | The Strokes | |
Album | Angles | |
Label | Universal | |
Erscheinungsjahr | 2011 | |
Bewertung |
Mit ihrem vierten Album sind die Strokes nun also in ihrer Beatles-Phase angelangt. Man kann den Liedern auf Angles recht gut anhören, welches ein Julian-Song ist, welches ein Albert-Track und welche Passagen den Köpfen von Nick, Fabrizio oder Nikolai entsprungen sind. So war das damals auch auf dem White Album.
Das hat vor allem zwei Ursachen. Zum einen haben vier Fünftel der Strokes die elend lange Pause seit dem Erscheinen von First Impressions Of Earth und dem neuen Album (genau 1902 Tage lagen zwischen den Veröffentlichungsterminen der beiden Alben, Faktenfreunde) genutzt, um eigene Projekte an den Start zu bringen und so ihr musikalisches Profil weiterzuentwickeln. Albert Hammond Jr. und Julian Casablancas waren als Solo-Künstler aktiv, Nikolai Fraiture gründete Nickel Eye und Fabrizio Moretti machte sich bei Little Joy ans Werk.
Zum anderen war der Entstehungsprozess von Angles alles andere als reibungslos oder auch bloß kollegial. Die New Yorker haben ewig lange gebraucht (als sie ihr viertes Album im Jahr 2008 erstmals ankündigten, war das inzwischen dahinsiechende MySpace noch eine geeignete Plattform dafür, so sehr haben sich die Zeiten mittlerweile geändert), um diese zehn Lieder auf Platte zu bannen. Und sie hatten reichlich Ärger dabei. Die Arbeit mit dem ursprünglichen Wunsch-Produzent Joe Chicarelli funktionierte nicht, einzig der Rausschmeißer Life Is Simple In The Moonlight ist nun noch aus den Sessions mit ihm übrig geblieben.
Auch innerhalb der Band gab es einige Spannungen, die Nick Valensi im NME einigermaßen undramatisch geschildert hat als “typical rock band bullshit – the clichés that keep a group of people who have something special from wanting to continue it”. Sänger Julian Casablancas war kaum einmal mit den anderen Strokes in einem Raum, sondern nahm seine Gesangsspuren alleine auf (noch so ein spätes Beatles-Ding). Angeblich wollte er den Rest der Band damit motivieren, das kreative Zepter in die Hand zu nehmen, aber funktioniert hat das nicht. „I won’t do the next album if we make it like this. No way. It was awful – just awful. Working in a fractured way, not having a singer there. I’d show up certain days and do guitar takes by myself, just me and the engineer“, erinnert sich Nick Valensi.
Dass Angles nun also ein reichlich zersplittertes Werk geworden ist, verwundert nicht. Auch nicht, dass es nicht die markante Stimme von Julian Casablancas ist, die das Album zusammenhält. Was aus Angles eine Strokes-Platte macht, ist nicht sein patentiertes, halb verschlafenes Genöle. Es ist die Gitarre von Albert Hammond Jr. Neun der zehn Lieder (die einzige Ausnahme ist das rührend reduzierte Call Me Back, das so etwas Ähnliches ist wie das Heart In A Cage dieses Albums) haben ein Gitarrensolo, und immer wieder sind es seine Passagen, die den Tracks den Stempel der Band aufdrücken und sie überhaupt erst als Strokes-Songs erkennbar machen.
Das ist einerseits faszinierend, denn es zeigt, wie viele neue Facetten The Strokes mittlerweile zu bieten haben. Der Opener Machu Picchu hat einen Reggae-Beat, karibische Elemente, wilde Bongos im Hintergrund und am Ende eine Gitarre, die an Michael Jacksons Gotta Be Starting Something geschult zu sein scheint. Two Kinds Of Happiness vereint die Eighties-Ästhetik von Billy Idol mit der mittleren Karrierephase von Tom Petty, Gratisfaction ist ein feiner Seventies-Shuffle, die Gitarre in Life Is Simple In The Moonlight könnte fast aus einem Song von The Police entnommen sein.
Andererseits ist die neue Bandbreite auch schädlich, vor allem wenn es nicht einmal die Gitarre von Albert Hammond Jr. schafft, eine Klammer für diese Lieder zu bilden. Games beispielsweise ist hohl und viel zu verliebt in den eigenen Sound. You’re So Right klingt unmotiviert und unausgegoren. Der Track ist nicht misslungen, weil man als Fan der ersten Stunde etwas anderes von den Strokes erwartet als gezähmte The-Prodigy-Beats und monotonen Gesang. Der Track wäre misslungen, egal von welcher Band und egal in welchem Kontext er gespielt würde.
Bezeichnenderweise gefallen am ehesten die Stücke, die an die Strokes früherer Tage erinnern. Metabolism entwickelt ähnlich viel Druck und Power wie einst 12:51. Der Vorab-Single Under Cover Of Darkness fehlt zwar das letzte bisschen Exzellenz, aber der Song hat einen gewohnt trockenen Beat und eine gewohnt kreative Gitarre und wird zudem der einzige auf Angles, bei dem man den Eindruck hat, der Refrain wolle wirklich unbedingt gefallen. Einzig in Taken For A Fool, der zweiten Single von Angles, schaffen es die Strokes, die Weiterentwicklung voll und ganz organisch und schlüssig klingen zu lassen. Der Song ist verschachtelt und doch aggressiv, der Gesang herrlich rotzig und der Bass famos funky, ohne protzen zu wollen. Eine Frage stellt sich deshalb im Angesicht von Angles und dem Zustand der Strokes am dringendsten: Is This It?
Der beste Song auf Angles: The Strokes spielen Taken For A Fool live bei David Letterman:
httpv://www.youtube.com/watch?v=2n9F0O3fi6c
2 Gedanken zu “The Strokes – „Angles“”