Künstler | The Tallest Man On Earth |
Album | There’s No Leaving Now |
Label | Dead Oceans |
Erscheinungsjahr | 2012 |
Bewertung | ***1/2 |
Man hat Kristian Matsson, besser bekannt als The Tallest Man On Earth, schon mit vielen Leuten verglichen. Nick Drake gehört dazu. Woody Guthrie. Pete Seeger. Als der Musikexpress im Jahr 2010 sein Album The Wild Hunt besprach, erkannte er sogar den jungen Bob Dylan wieder. Ich möchte trotzdem einen neuen Referenzpunkt einführen: Kaya Yanar.
Der (nicht meine Formulierung) König der Ethno-Comedy hat den (nicht meine Formulierung) Kultspruch „Dukummsthiernedrein“ geprägt, der in seinen Sketchen die Lieblingsvokabel eines Türstehers mit Bomberjacke und Pferdeschwanz darstellt. Das dritte Album von The Tallest Man On Earth kehrt diesen Spruch um. There’s No Leaving Now heißt die Platte. Frei übersetzt: Dukummsthiernedraus.
Wer das weit hergeholt findet, muss wohl trotzdem gestehen: Dieser Titel ist durchaus treffend Titel für die Musik des 29-jährigen Schweden. Von Beginn an strahlt There’s No Leaving Now eine enorme Nähe zum Hörer aus, eine fast private Atmosphäre. Und das Werk versammelt zehn Lieder, die sagenhaft eindringlich sind.
Im Zentrum steht natürlich die Gitarre. Matsson spielt sie, als sei das Griffbrett ein Abenteuerspielplatz. Wind And Walls ist ein gutes Beispiel dafür: Er schlägt die Saiten so schnell und fest an, dass die Gitarre fast zum Schlagzeug wird. Auch der Opener To Just Grow Away bekommt dadurch seinen torkelnden Rhythmus, die Single 1904 deutet mit dieser Methode einen Boom-Tschikka-Boom-Beat à la Johnny Cash an. Energisch und zugleich lässig – das ist hier das Erfolgsrezept.
In anderen Tracks wartet The Tallest Man On Earth mit virtuosem Picking und ausgefeilten Open Tunings auf. Der Revelation Blues gehört dazu, der nicht nur vom Titel, sondern auch von seiner Poetik her an Dylan erinnert. Little Brother bietet Picking, als ob es kein Morgen gäbe. Auch Criminals ist ein Beleg dafür, dass Matsson filigran sein kann, ohne deshalb an Kraft oder Entschlossenheit einzubüßen.
Die alles dominierende Gitarre wird gelegentlich ergänzt von Schlagzeug, Flöten und reichlich Pedal Steel. Das stärkste Instrument bleibt aber Matssons Stimme, die immer wieder an Ben Bridwell von der Band Of Horses denken lässt. Am deutlichsten wird das im Titelsong: Ausgerechnet There’s No Leaving Now verzichtet vollständig auf die sonst omnipräsente Gitarre und setzt stattdessen auf reduzierte Klavierakkorde und markerschütternden Gesang. Bright Lanterns wird beinahe old timey und klingt fast wie ein Traditional, Leading Me Now strahlt eine rührende Verletzlichkeit aus.
The Tallest Man On Earth ist damit auf seinem dritten Album dem Effekt verdammt nah gekommen, den er live stets erreicht: Mit ganz wenigen Mitteln kreiert er magische Momente. Er bewegt, er rüttelt auf, er fesselt. Wer einmal mit There’ No Leaving Now in Kontakt gekommen ist, der wird schnell in den Bann dieses meisterhaften Albums gezogen. Dukummsthiernedraus.
Ein bisschen Dylan, ein bisschen Johnny Cash, ganz viel Intensität – The Tallest Man On Earth spielt 1904 live für einen Radiosender in New York:
httpv://www.youtube.com/watch?v=DHR-KP3PBxI