Künstler | Timber Timbre |
Album | Creep On Creepin‘ On |
Label | Full Time Hobby |
Erscheinungsjahr | 2011 |
Bewertung | *** |
Manche Lieder kommen laut grölend aus der Garage. Manche Lieder kommen schweißnass aus der Disco. Diese Musik kommt aus einem Geisterhaus, das über einem Moor schwebt. Die Kanadier von Timber Timbre haben mit Creep On Creepin’ On ein ebenso stimmiges wie stimmungsvolles zweites Album vorgelegt. Und man kann dem Independent nur zustimmen, wenn er feststellt: Dieses Trio wäre die perfekte Hausband für Twin Peaks.
Zum Start klingt Bad Ritual, als habe sich irgendwo in der ehemaligen Kirche, in der die Lieder von Creep On Creepin’ On aufgenommen wurden, der langsame, kleine und etwas schräge Bruder von Aloe Blacc versteckt. Danach erinnert Obelisk mit seinem pumpenden Bass und den unheimlichen Streichern an Hitchcocks Psycho. Der Titelsong hat wieder das pluckernde Klavier vom Auftakt, dazu gibt Sänger Taylor Kirk den Crooner im Sinne von Craig Ross. Doch schon bald merkt man: Diese Stimme geht nicht nur auf ironische Distanz zu den Liedern. Mehr noch: In diesem Gesang steckt ein Wolf im Schafspelz. Alles ist hier höchst verführerisch und geschmackvoll arrangiert, doch immer bleibt in diesen Songs ein kleiner Hinweis, dass man ihnen lieber nicht über den Weg trauen sollte.
Black Water hat die Sirup-Schwere, die auch Airs Soundtrack zu den Virgin Suicides eigen war. Am Ende ist ein Saxofon zu hören – und es klingt, als werde darauf lediglich geübt. Das Ganze geht über in Swamp Magic, und da wird alles noch unfassbarer. Die Geigen wirken hier, also würden sie gerade noch gestimmt oder sogar gerade erst gebaut. Und man möchte wetten, dass jede dieser Saiten schon einmal benutzt wurde, um sich immer enger um den Hals eines Sünders zu ziehen.
In Woman setzt Taylor Kirk auf Gänsehaut und die imitierte Soul-Inbrunst, die auch das John-Lennon-Stück gleichen Namens ausmacht. Der Schluss des Lieds ist ein bisschen Todesmarsch, ein bisschen Mars Attacks – und in jedem Falle spooky.
Dass man hier so oft an Filme und Soundtracks denken muss, unterstreicht die emotionale Kraft von Creep On Creepin’ On: Hier wird eine Zwischenwelt entworfen, die nicht nur hör-, sondern förmlich greifbar und fast sichtbar ist. Too Old To Die Young würden die Hexen von Eastwick wohl auflegen, wenn sie Daryl van Horne zum Engtanz auffordern. Do I Have Power ist dezent druckvoll und wartet irgendwo in der Ferne mit unheilschwangeren Blechbläsern auf. Der Rausschmeißer Souvenirs besteht dann bloß noch aus Feedback, Dröhnen, Pfeifen – ein akustischer Nebel.
„Please break this spell I’m under“, singt Taylor Kirk treffenderweise in Lonesome Hunter, das mit Doo-Wop-Versatzstücken spielt und wie eine Beschwörung klingt. Wenn Elvis irgendwo in seiner Gruft noch singen sollte, dann singt er sicher Lieder wie diese.
Auch ganz schön gepenstisch: Das Video zu Woman:
httpv://www.youtube.com/watch?v=m8XftanUJa8