Hingehört: Toddla T – „Watch Me Dance“

Lust auf Rhytmus, keine Lust auf Schubladendenken: Toddla T.
Lust auf Rhytmus, keine Lust auf Schubladendenken: Toddla T.
Künstler Toddla T
Album Watch Me Dance
Label Ninja Tune
Erscheinungsjahr 2011
Bewertung **1/2

Toddla T? Watch Me Dance? Manch einer wird da hierzulande an eines der allseits beliebten YouTube-Spaßvideos denken. Denn der Künstlername von Tom Bell bedeutet übersetzt so etwas Ähnliches wie: Kleynkynd T. Und lustig tanzende Babys – das ist im Netz noch immer ein sicherer Volltreffer.

Natürlich ist Watch Me Dance aber in Wirklichkeit des zweite Album des 23-Jährigen aus Sheffield, der seit seinem Debüt Skanky Skanky (2009) nicht nur so etwas wie ein Seismograph für Trends in der britischen Jugendkultur geworden ist, sondern der als Produzent mittlerweile bei Größen wie Tinchy oder Ms Dynamite gefragt ist und auch schon einen Remix für Hot Chip gemacht hat.

Ein bisschen was hat sein zweiter Longplayer aber trotzdem mit den albernen Heimvideos zu tun. Denn was ist eigentlich so amüsant daran, wenn Kleinkinder eine amateurhafte Choreographie ins Netz tragen? Zweierlei. Erstens verkörpern die Wackelbabys in der Regel die ursprüngliche Freude an Rhythmus und Bewegung, die Quintessenz von Tanz und Musik. Zweitens ist es wirklich oft putzig, wenn sie mit ihrer Unbeholfenheit vorführen, wie weit sich der komplett durchgestylte Tanzstil der Erwachsenen von diesem Ursprung entfernt hat. Sie imitieren und persiflieren zugleich, und das Ergebnis wirkt zwar naiv, verströmt aber auch eine gewisse Subversion.

Ganz ähnlich funktioniert Watch Me Dance. Über allem steht bei dieser Platte die Lust auf Rhythmus, gleich danach kommt die Unlust, sich auf eine Masche festlegen zu lassen. „Ein bisschen von Soul II Souls Club Classics und Leftfields Leftism – das sind Alben, die ich immer wieder mal höre. Sie haben einen riesigen Teil der Clubmusik genommen und ein Album gemacht, das nicht nur eine Zeit zusammengefasst hat, sondern auch noch richtig gut anzuhören war“, sagt Toddla T – und diesem Vorbild eifert er auf dem am kommenden Freitag erscheinenden Watch Me Dance nach.

Gleich der Titelsong zum Beginn lässt an die Disco-Phase von David Bowie denken, vereint Funk mit ganz viel Schrägem und einem starken Gastauftritt von Roots Manuva. Auch Take It Back, die  zweite Vorab-Single, setzt auf eine Kooperation, lässt sich von Shola Ama aber eher in Sugababes-Gewässer lotsen.

So geht es weiter: Streets So Warm und How Beautiful It Would Be, in dem reichlich Radiohit-Potenzial schlummert, kombinieren Breakbeats mit Autotune. In Cherry Picking und Body Good treffen komplexe Beats auf die Pop-Sensibilität und den Soulgesang der ganz späten All Saints. Lovely Girl und der Rausschmeißer Fly sind beinaher klassischer Reggae. Das hyperaktive Badman Flu kreuzt Outkast mit I Like To Move It – auch wenn das auf dem Papier reizvoller klingt als dann in der Realität.

Das ist beeindruckend vielfältig und handwerklich durchweg tadellos gemacht. Richtig aufhorchen lässt Toddla T aber leider nur zweimal. Cruise Control zeigt, wie Dubstep klingen kann, wenn man die klassischen Rollen vertauscht und einen aggressiven Frauen-Rap auf eine sanfte Männerstimme (und einen Chor von Mönch-Androiden im Hintergrund) treffen lässt. Und Do It Your Way beginnt wie eine lupenreine R’n’B-Ballade, findet dann aber irgendwie den Weg zum Karneval nach Notting Hill. Von dieser Abenteuerlust hätte man sich auf Watch Me Dance noch ein bisschen mehr gewünscht – vorerst beschränkt sich Toddla T (ebenso wie die YouTube-Babys) darauf, die Welt zu unterhalten.

Das Video zu Take It Back zeigt: London hat ein bisschen länger gebracht, um Eurodance zu entdecken:

httpv://www.youtube.com/watch?v=tAqENlABNQk

Toddla T bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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