Künstler | Tom Vek | |
Album | Leisure Seizure | |
Label | Island | |
Erscheinungsjahr | 2011 | |
Bewertung |
Zehn Regeln, wie man sich als Popstar verhalten sollte, wenn man gerade ein recht erfolgreiches, hoch gelobtes Debüt vorgelegt und sogar eine Gastrolle in The O.C. abgestaubt hat:
1. Verschwinde nicht.
2. Verschwinde nicht.
3. Verschwinde nicht.
4. Verschwinde nicht.
5. Verschwinde nicht.
6. Verschwinde nicht.
7. Verschwinde nicht.
8. Verschwinde nicht.
9. Verschwinde nicht.
10. Verschwinde nicht.
Thomas Timothy Vernon-Kell, besser bekannt als Tom Vek, hat keine dieser Regeln beachtet. In seinem Erstlingswerk We Have Sound hatte beispielsweise Allmusic “a strong debut from an artist who just needs a little more focus to be brilliant” erkannt. Aber dann ließ sich Tom Vek einfach sechs Jahre Zeit für den Nachfolger. Er hat ein Studio im Osten seiner Heimatstadt London gebaut, eine Menge altes Equipment dafür angeschafft und neue Produktionstechniken gelernt. Und dann in diesem Studio an Leisure Seizure gearbeitet. Sechs Jahre lang.
Besonders glücklich scheint es ihn nicht gemacht zu haben. Leisure Seizure ist das Werk eines Mannes, der nicht zufrieden ist. Nicht mit dem, was ihm die Welt bietet („I want it all on a plate“, verlangt er ungeniert im martialischen, unerbittlichen On A Plate). Und nicht mit dem, was die Welt ist. Immer wieder geht es um Einsamkeit, Unzulänglichkeiten und Ignoranz. Freilich ist Tom Vek keiner, der sich dabei mit Diagnosen zufrieden gibt. Er will aufrütteln. „You’ll have to listen now“, fordert er etwa ganz explizit in We Do Nothing, das die ganz frühen Blur zumindest den halben Weg nach Jamaika zu entführen scheint.
Seine Methode ist im Vergleich zum Debüt gleich geblieben: Tom Vek macht alles alleine, und er macht es gut. Der Opener Hold Your Hand klingt zwar mit seiner simplen Orgel und dem wenig einnehmenden (und völlig unmotivierten) Gesang zunächst beinahe stümperhaft. Doch dann setzt der Beat an – und plötzlich passt alles. Auch danach bleibt der Rhythmus immer federführend, die Stimme mit gaaaanz lang gezogenen Silben gerne nölend, Eklektizismus das Grundprinzip. Tom Vek lotet auf Leisure Seizure das Gebiet noch weiter aus, das einst Beck und Bran Van 3000 oder später die Acts von DFA erobert haben: Tanzmusik ohne (und jenseits von) Genregrenzen.
Aroused hat die Wucht, aber nicht die Brutalität von Does It Offend You Yeah? und dürfte mit seinem plakativen Refrain auch Klaxons neidisch machen. World Of Doubt fährt Sprechgesang, eine countryfizierte Gitarre und einen funky Beat auf, was sofort an Cake denken lässt. Seizemic klingt, als würden die Beastie Boys über das Electric Light Orchestra herfallen.
Someone Loves You vereint eine Surfgitarre mit Weltmusikelementen und der Coolness von Calvin Harris, Close Mic’ed hat die schläfrige Zurückgenommenheit und Orgelwärme von Werle & Stankowski, in You Need To Work Your Heart Out tanzt eine hypnotische Klaviermelodie über einen Latinrhythmus.
Mit dem Spacepop-Rausschmeißer Too Bad und dem packenden A.P.O.L.O.G.Y. gibt es sogar zwei Beinahe-Hits. Und dann hat der Mann, den der NME einmal als „an English David Byrne making herky-jerky dance music for sharp-dressed, literate lovers“ charakterisiert hat, ja auch noch A Chore im Gepäck. Auch darin macht Tom Vek seinem Unmut über die Zeiten Luft: „You had believed one time / now you want more / what you perceive as life / is no more than a chore.“ Die Musik dazu klingt wie eine Hooligan-Version von Bloc Party, und im Video nimmt Tom Vek ausgerechnet die Tatsache auf die Schippe, dass er sich für Album Nummer 2 so viel Zeit gelassen hat. Wer dann so ein ausgereiftes, schlüssiges und spannendes Album vorlegt, der darf das.
Auch auf einer einsamen Insel unverzichtbar: ein schickes Streifenshirt, wie das Video zu A Chore beweist:
httpv://www.youtube.com/watch?v=aCfWUl5OvB0